enn ein großes Orchester harmonisch zusammenspielt, dann klingt es rund und ausgewogen. Der Ort, an dem ein Orchester für gewöhnlich spielt, nennt sich deshalb nicht Disharmonie, sondern Philharmonie. Schrille Mißklänge sind dort eigentlich fehl am Platz, denn sie stören empfindlich das würdevolle Ambiente eines klassischen Konzertsaals.
So unterschiedlich die Klangfarben eines großen Orchesters auch sein mögen, so fügen sich dennoch die einzelnen Instrumente zu einem harmonischen Ganzen zusammen. So sollte es zumindest sein, wenn die Schwingungen, die von der Luft an unser Ohr getragen werden, der Seele gut tun sollen; denn dann sind sie für uns eine ganz besondere, feinstoffliche Nahrung.
Eine Flöte kommt der idealen Schwingung, der Sinuskurve, am nächsten. Andere Instrumente wie Cello oder Oboe erzeugen komplexere Schwingungsgebilde mit „farbigeren” Obertönen, die jedoch alle aus einer Überlagerung von Sinusschwingungen hervorgehen. In der Physik nennt man das Klangerzeugungsverfahren der Sinuskurvenüberlagerung die additive Synthese.
Alles schwingt, alles singt, alles klingt. Das Große wie das Kleine, das Sichtbare wie das Unsichtbare; selbst Elektronen und Photonen, Quarks und Elementarteilchen; ob sie nun bereits bekannt sind, oder den Instrumenten der Forscher noch verborgen. Schwingen ist natürlich, und je mehr sich irgendein beliebiges Schwingungsgebilde einer Sinuskurve annähert (so komplex diese durch eventuelle Überlagerungen auch sei), desto harmonischer wird seine Gestalt — und als um so angenehmer empfinden wir es auch. Alles schwingt, alles singt, alles klingt — und so auch unsere Körperzellen, wie unsere Seele. Vielleicht verstehen Sie jetzt besser, warum wir uns in der Gegenwart guter Menschen so ~ beschwingt ~ fühlen! Nichts lohnt sich mehr, als an der Harmonisierung unserer Körper- und Seelenschwingungen zu arbeiten.
»Wie das wohl geht?« — so wird sich nun manch einer fragen.
»Geduld, Geduld!« — wir werden’s wagen, zusammen gehn wir Schritt für Schritt.
Der erste dieser Alltagsschritte: wir sagen laut und deutlich »Bitte!« — »Ich möchte mich erkennen, wie ich wirklich bin.«
Ziele setzen, das macht Sinn. Konkret: EIN Tagesziel, und nicht zuviel. Wie wäre es mit Ehrlichkeit? Die Tagesschule ist bereit.
Also, unser Tagesthema heißt Ehrlichkeit, und wir brauchen nun nichts weiter zu tun, als wach und bewußt durch den Tag zu gehen, und uns bei allem, was wir erleben, immer wieder zu fragen, was das denn mit unserem Tagesthema zu tun hat. Nicht schwer, oder? Damit das nicht graue Theorie bleibt, einige Erlebnisse aus meiner Tagesschule vom vorletzten Samstag.
Samstag, Einkaufstag! Ein frostiges Wintermärchen verzaubert Wald und Flur.
Schön ist die Welt! Ich sehe sie mit staunenden Augen.
Langsam und vorsichtig, mit Helm gewappnet, radle ich durch den Winterwald. Zum Genießen der Landschaft bleibt wenig Gelegenheit, denn ich muss mich auf den Weg konzentrieren. Dann bin ich vor Ort. Mein Ziel: der kürzlich wiedereröffnete Einkaufsmarkt – mit deutlich verbessertem Angebot, einer reichhaltig-frischen Auswahl, und einer Bio-Abteilung, die das Herz höher schlagen lässt. Schließlich bin ich Unternehmer, der sein Geld gut angelegt wissen möchte; und deshalb investiere ich es in das Objekt, das mir den größten Nutzen bringt – meinen Körper! Er ist die Wohnung für meine Seele, und sie soll es gut in ihm haben. „Veritas in Sanitas”. Sanieren wir ihn, den Körper – auf dass unsere Seele in ihm und mit ihm gesunde.
200 Meter vor dem Ziel umschmeichelt mich ein großes Discounterschild mit Billigpreisen – alles gibt es fast umsonst, und sogar Reisen . . . da lockt mich der Verstand, der kühle Rechner, kurz einmal hineinzuschauen. »Reifes Obst bekommt man jetzt sehr schwer, Leute, schafft doch mal was her!« Der Bauch, der schweigt, ich geh’ hinein, und eine Papaya ist mein! 1,49 € ist der Preis, an einem Ende ist sie weiß. Das ist kein Schnee, das ist schon Schimmel! Gut, das kann man wegschneiden, aber ansehnlich ist sie wirklich nicht. »Geh weiter!« — mahnt mich nun die Pflicht. »Bleib heiter!« — denk ich, »macht mir Licht!«
Das geht mir dann tatsächlich auf, als ich in dem Einkaufsmarkt, in dem ich einkaufen soll, vor dem Obststand stehe: »Reife Papayas!« Viel schöner, als bei dem Discounter. Und was kosten sie? 1,49 € ist der Preis, ich weiß, ich weiß . . . genauso viel, wie beim Discounter. Was ist das Tagesthema heute — Ehrlichkeit? Ich versuche mich zu rechtfertigen. »Ich hab doch nichts gestohlen, oder?« — »Und was ist mit dem Umsatz, der dem Einkaufsmarkt jetzt fehlt?«
Das Universum arbeitet ganz schön präzise. Auf Heller und Cent genau wird abgerechnet, im Soll genauso wie im Haben. Und Ehrlichkeit wird dreifach vergütet. Das glaubt ihr nicht? Da will ich abends mein Altpapier in die große Gemeinschaftstonne geben. Sie ist mit einem Vorhängeschloß gesichert, damit unehrliche Zeitgenossen sie nicht für ihren Müll missbrauchen können. Ich schließe auf, und will den Deckel abheben, doch der ist festgefroren. So zerre und rüttle ich daran, bis er endlich aufspringt. Schwungvoll schnappt er zurück, und in hohem Bogen fliegt das Vorhängeschloß ins verschneite Gebüsch. Da liegt es nun, und da liegt’s gut – in irgendwelchen Mauerritzen; ich habe es trotz intensivster Suche, auch am nächsten Tag, nicht wieder auffinden können. So muss ich wohl oder übel für Ersatz sorgen — damit die unehrlichen Zeitgenossen in Zukunft wieder außen vor bleiben. Kostenpunkt: schätzungsweise 4,50 €. So viel wie drei Papayas. Die hätte ich mir gönnen können, wenn ich ehrlicher gewesen wäre: Ehrlichkeit verlangt von uns, auf unsere Gefühle zu hören. Und die bekam ich an diesem Einkaufstag ausschließlich für den qualitätsbewußten Einkaufsmarkt.
Wie schwingt sie dann, die Ehrlichkeit in unserer Seele, nach einem falschen Schritt? Sie kommt ein wenig aus dem Tritt. Vielleicht in etwa so:
Au weia! Ab dem nicht erlaubten Einkauf beginnt die Schwingung zu verzerren. Mit jeder weiteren Fehlentscheidung wird sie unharmonischer — doch keine Sorge, wir können die „verletzte” Schwingung wieder in Ordnung bringen: durch eine neue, nun aber objektiv betrachtet richtige Entscheidung im Bereich der Ehrlichkeit. Die einzige Bedingung hierzu: der aufrichtige Wunsch.
»Dein Wunsch sei mir Befehl!« — als ich mich am Abend nach einem Thermenbesuch auf den Heimweg mache, fährt ein Zug an mir vorüber, in die Richtung, in die ich am nächsten Morgen zum Orgeldienst fahren muss; doch um Geld zu sparen, hatte ich mich bereits aufs Fahrradfahren eingestellt. In dem Moment, als ich den Zug sehe, kommt mir ein Denkanstoß: »Es ist eisglatt und gefährlich, lass morgen früh das Rad zu Hause, und nimm den Zug!« Wie reagiere ich? Bin ich stur, oder flexibel? Das entscheidet mein Wunsch. »Möcht’ ich ehrlich sein? Nein? Der Zug kostet mich stolze 10 Prozent meines Verdienstes. Bin ich mir das wert?« Das ist nie verkehrt. Die Selbstliebe lässt grüßen.
Ich bin dann mit dem Zug gefahren, und war sehr froh darüber. Eine gute Entscheidung, und ehrlich noch dazu. Jetzt tanzt sie wieder, unsre Ehrlichkeit — sie lässt ihr Band harmonisch schwingen — und ich bekomme Lust zu singen . . .
Vielen Dank dem tschechischen Ensemble für Alte Musik „Musica Florea” für diese wunderbare, und darüberhinaus noch lizenzfreie! Aufnahme für Radio Tschechien (Czech Rádia) der Sechs Brandenburgischen Konzerte von Johann Sebastian Bach.
Lieber Axel,
wenn wir auf unsere eigenen Gefühle und Bedürfnisse hören, macht sich das wirklich auf Heller und Pfennig und noch weit darüber hinaus bezahlt. Das Geld, das wir investieren, kommt auf oft unerwartetem Wege zurück – manchmal sogar vor der tatsächlichen Ausgabe, sobald wir die entsprechende Entscheidung getroffen haben.
Ein Beispiel: Besuch der Caracalla Therme, Baden-Baden. Eintritt: 14,00 Euro. Entgegen der Meinung meines “inneren Finanzministers” entschied ich mich dafür, mir dieses Vergnügen zu gönnen. Und ich bekam jeden Cent zurück. Die ersten 50 Cent durfte ich sparen, als ich die Toilette am Bahnhof Baden-Baden benutzen wollte. Als ich gerade dabei war, die Gebühr aus dem Geldbeutel zu fischen, öffnete sich die Tür von innen und mein Vorgänger ließ mich eintreten. Und als ich abends nach Hause kam und mein E-Mail-Postfach öffnete, fand ich dort die Bestätigung einer Provisionszahlung über genau 13,50 Euro.
Darüber hinaus wurde ich mit einem wunderbaren Tag an der Seite eines neuen Freundes belohnt, mit neuen Erfahrungen, neuen Erkenntnissen, neuen Sichtweisen, vielen schönen Gefühlen und einem Ort, den ich so noch nicht kannte und sicher noch oft besuchen werde.
Danke für die Harmonie, die Du verbreitest,
Jürgen
Großartig, Jürgen,
und Dankeschön für die Schilderung eines positiven Beispiels. Wie schön, dass ich nicht der einzige bin, der fleißig in die „Tagesschule” geht!*
*Wenn ich könnte, würde ich dich als Finanzminister für unser Schwabenländle vorschlagen…