
estern blätterte ich wieder einmal vergnüglich in den Seiten eines Autors, den ich sehr schätze. Unter einem Foto, das im Vordergrund eine Bank zeigt, die zum Sitzen und Verweilen einlädt, und im Hintergrund das weite Panorama einer sanft geschwungenen Mittelgebirgslandschaft, stand folgendes zu lesen: „Hier, an diesem Platz, möchte ich alt werden.”
Befremdung beschlich mich bei diesen Worten. Das schrieb ein Mann in der vollen Blüte seines Lebens, voll Elan, Schaffenskraft und Liebesfähigkeit – was bringt einen Menschen dazu, der, wie ich aufgrund seiner Artikel annehmen darf, mit dem bewußten Umgang seiner Gedanken wohlvertraut ist, sich solche Perspektiven aufzubauen?
Möchte er dort, so schön es auch an jenem Platz sein mag, wirklich alt werden?
Vorsicht, Wünsche! Wünsche sind eine Macht, und vermutlich die größte, die es im gesamten Universum gibt. Die Erfahrung zeigt, dass wir sehr behutsam mit unseren Wünschen umgehen sollten; sonst können sie mächtig ins Kraut schießen, wie die Geschichte der Eheleute Hans und Lise zeigt, denen die Bergfeÿ (alte alemannische Schreibweise von Bergfee) drei Wünsche gewährt. Johann Peter Hebel’s skurrile Kalendergeschichte, Jahrgang 1808, ist auch heute noch sehr lesenswert – und er resümiert, nachdem alle drei Wünsche vertan sind, dass „du wissen mögest, was du . . . wünschen sollest, um glücklich zu werden.”.
Möchte ich alt werden? Nein, ich möchte lange leben, gesund und glücklich. Das aber ist etwas ganz anderes – es schafft eine neue Perspektive in mir, die mich hebt und weitet; die mich verbindet, mit dem Urquell des Lebens, und mit der Energie, die mich beständig erneuert und jung erhält. Es gibt nichts natürlicheres, als vollkommen gesund und jugendlich sein Erdendasein zu beschließen – dann, wenn es an der Zeit ist, und die Seele ihren Erfahrungsschatz reich gefüllt hat. So ist unser Lebensentwurf von „oben” eigentlich vorgesehen, und wir sollten ihn uns immer wieder vergegenwärtigen, bis wir ihn vollkommen verinnerlicht haben. Wir können wählen, welchen Weg unser Dasein nimmt, und in welche Richtung sich unsere Lebensuhr bewegt. Treffen wir die rechte Wahl! Nicht nur am kommenden Wochenende, auf politischer Ebene, sondern, was viel wichtiger ist, Tag für Tag auf der gedanklichen Ebene - indem wir kraftvolle Wünsche formen, die uns zum rechten Handeln zwingen. Erst der rechte Wunsch lässt die Tat gelingen!

Lebenszeit und Lebensenergie verpuffen, wenn wir mit unseren Wünschen auf das falsche Pferd setzen. Wie kann ich denn in Erfahrung bringen, was ich tatsächlich benötige, und was meiner seelischen Entwicklung wirklich zuträglich ist? Wir schmoren viel zu sehr in der eigenen Suppe, als dass wir über den Tellerrand unserer begrenzten Lebenserfahrung hinausschauen könnten. Deshalb ist es um so wichtiger, dass wir die innere Bereitschaft entwickeln, uns mehr und mehr durch unser Leben führen zu lassen, und das, was geschieht, dankbar anzunehmen – auch wenn es oftmals nicht das ist, was unserem eigenen Willen und Wolllen entspricht. Begehren und von Herzen wünschen sind zweierlei: deshalb habe ich mir den Satz des Pfarrers zu eigen gemacht, und er bringt jedesmal, wenn ich ihn ausspreche, Frieden in mein Herz: „Gib mir nicht, was ich begehre, sondern was mein Heil vermehre . . . ”
Ich weiss noch genau, wie das war: mich über die in verschwenderischer Pracht blühenden Orchideen zu beugen, mit der Nase tief einzuatmen, und — nichts. Ich wollte zuerst einmal nicht mehr leben. Dann, nach einigen Tagen, begriff ich, um was es ging, und ich verwandelte die Situation in einen Lebenswunsch: so will ich nicht mehr leben. Und ich begann, mir diese kostbare Leihgabe, unseren Körper, mehr und mehr zum Freund zu machen – auf dass er mich ein ganzes Leben zuverlässig unterstütze und begleite. Wie es ist, wenn der Körper nicht mehr reibungslos funktioniert, das hatte ich in den 14 Tagen ohne Geruchssinn überdeutlich erfahren – keine Freude, keine Farben, alles grau, fade, eintönig.
„wer nicht hören will . . . ” - jeder kennt das
dass meine Wünsche wieder mehr vom Herzen kommen, als für gewöhnlich nur vom Kopf; und dadurch entwickeln sie erst die erwünschte Kraft. Und so habe ich vorgestern meinen Lebensfaden wieder gefunden – mich richtiggehend aufgerappelt – wie Baron von Münchhausen sich einst an seinem eigenen Schopf aus dem Sumpf gezogen hatte. Mein innerer „Haussegen” hing zu lange schief. Jetzt hängt er wieder lotrecht, und ich bin glücklich, dass ich mich dazu überwinden konnte. Eine kleine Belohnung folgte gestern auf dem Fuß. Energie aus dem Blauen, zwei Stühle für die Terrasse, gut in Schuß – ich brauchte sie nur nach Hause zu tragen. Ein Dank dem unbekannten Spender, der sie am Gehsteig abgestellt hatte. Jetzt kann ich wieder draußen sitzen, ein paar Sonnenstrahlen einfangen, für einen Augenblick die Augen schließen und die Seele baumeln lassen . . . und meinem Schöpfer fröhlich weiterdienen. Joseph Haydn lebe hoch! – ewig lebt er sowieso . . .
Häufig entspricht unsere seelische Entwicklung einem Wechselbad von Auf und Ab, und wie bei den Aktienkursen muss man die längerfristige Entwicklung begutachten. Woran kann man nun erkennen, ob man abwärts oder aufwärts geht? Je glücklicher und energiegeladener man beim Erwachen am Morgen ist, desto steiler geht es bergauf, dem Paradies entgegen. Gute Entscheidungen ziehen gute Gefühle nach sich, und vice versa, natürlich.