• Singstunde •


Singen macht ein fröhlich Herz. Kein Scherz, und doch zieht scherzend Wonnemonat Mai von dannen. Düfte wie von Rosenblüten lassen uns bereits den Sommer ahnen. Drum hurtig, lasst uns singen, so lang’s noch Frühling ist, dem Schöpfer Lob darbringen! Sein Geist, der in uns wohnt, uns dann mit Freuden lohnt. »Und wehe Dir, solltest Du hüstelnd Dich gar zieren und genieren!« – die alte Leier vom „unmusikalisch” sein, sie bleibt heut stumm. Denn so zu denken, das ist dumm, mit Verlaub. »Wie könntest jemals Freude Du empfinden, beim Hören von Musik, wenn Musikalität nicht Deiner Seele Weggefährte wäre?«

Gesagt, getan – allein es mangelt an der Zeit. So denken wir. Doch setzen wir nur andere Prioritäten. »Priori Musica!« Sie heilt uns, weil sie uns verbindet, mit der Quelle, der alles Schöne, Edle, Wahre immerzu entspringt. Und selbst die wissenschaftlichen Forschungen der Chronomedizin sind dem Geheimnis auf der Spur: Singen bringt den Körper und die Seele wieder in die Harmonie zurück. Natürlich. Sphärenklänge, Keplers Harmonia Mundi – Erinnerungen an den Physikunterricht werden wach – tönen durch die Himmel, durchdringen uns und führen uns zurück in die Alleinheit, in die Ganzheit des ruhenden Lichts des Geistes, der alles ist, was ist, der alles ist, was war, und der alles ist, was jemals sein wird, immerfort und immerdar.

Durch alle Zeiten hindurch werden uns Genies geschenkt, die Musik aus dem Geist des Schöpfers empfangen, um mit ihren Werken unsere Kultur zu erheben, und um unsere Seele zu nähren. Thomas Morley war eines dieser Genies, und er führte die Kunstform des Madrigals zu höchster Blüte. Sein Wirkungskreis war der englische Hof, zur Zeit der musik- und kunstliebenden Königin Elizabeth I. Welche Freude muss es gewesen sein, die Royal Chapel, die königliche Kapelle, leiten zu dürfen!

»Wie wäre es, in den erlauchten Kreis dieser meisterhaft geschulten Sänger einzutreten, um mitzusingen, teilzuhaben an den Klangwelten, die Sir Thomas Morley aus dem ewigen göttlichen Brunnen zu schöpfen wusste?«

Nichts leichter als das. Ein vergnügliches Frühlingslied zur Erheiterung bei Tanz und Spiel? Bitte sehr:

Nächster Schritt. Wir singen mit.

Du meine Seele, singe!

Und das geht so: wir folgen als erstes der Melodie, der Oberstimme, die gemeinhin auch Sopran genannt wird. Auf dem linken Stereokanal erklingt der gesamte Chor, auf dem rechten Stereokanal die jeweilige Einzelstimme (instrumental), zunächst also die Sopranstimme. Auch, wenn wir keine Noten lesen können, folgen wir dem Ablauf der Noten – wir brauchen uns nur eine Leiter vorzustellen, deren Sprossen den Notenlinien entsprechen. Für jeden zu singenden Melodieton gibt es eine Note, deren Position auf der Leiter die Tonhöhe markiert. Wer aufmerksam zuhört, wird nach kurzer Zeit den Bezug der Melodietöne zu den vorüberziehenden Noten herstellen können.

Tipp: Wer über eine höherwertige Audiokarte verfügt, der kann normalerweise über deren Soundsteuerung das Stereopanorama verändern – so lässt sich beispielsweise zum Üben einer Einzelstimme der linke Stereokanal ausblenden. Das geht jedoch auch, wenn man den Audioausgang des Rechners an einen externen Verstärker anschließt.

Sopranus_Morley.js

Na, das war doch gar nicht so schwer. Die Außenstimmen (Sopran und Bass) sind leicht zu erlernen. Der Gegenpol zum Sopran ist das Fundament, die tiefste Stimme: der Bass. Er kommt nun als nächstes an die Reihe.

Bass_Morley.js

Keine Sorge, die Frauen sollen auch nicht zu kurz kommen – ist’s doch genug damit, dass man ihnen das Singen jahrhundertelang vorenthalten hat. »Stimmt ein, der Altus will erlernet sein!«

Altus_Morley.js

»Helden an die Front!« Jetzt sind die verhinderten Tenöre dran, die bisher über die Badewanne nicht hinausgekommen sind. Spielerisch erklimmen sie nun neue, ungeahnte Höhen.

Tenor_Primo_Morley.js

Und jetzt wird’s richtig schwierig, denn der zweite Tenor hat’s wirklich in sich. Er fungiert als Springer, als Füllstimme der Harmonie, und trägt durch seine vertrackten synkopischen (gegenrhythmischen) Figuren im Fa-la-la-Teil wesentlich zur Lebendigkeit des Stücks bei. Hinzu kommen die häufigen Sprünge, die sängerischer Erfahrung bedürfen. Übung macht den Meister. »Ärmel hochkrempeln, und tief Luft holen!«

Tenor_Secondo_Morley.js

»Das waren sie!« Die Einzelstimmen, die sich zum Ganzen fügen. Das ist die Kunst, sich selbst zu sein, und dennoch im Gesamten aufzugehen. So entsteht Harmonie, und so macht Chorisches Singen Freude – und der Harmonia Mundi alle Ehre.

Die höchste Kunstfertigkeit im Singen benötigt selbstverständlich keine Stützen mehr. Ob ihr das sängerische „Freischwimmerabzeichen” schon verdient habt, könnt ihr jetzt überprüfen: das Tempo ist ein wenig schneller, und Noten verfolgen müsst ihr nun selbst.

maying_tempo75.js

»Ohne Fleiß kein Preis!« Das sieht und hört man den Ensembles an, die ihre Freude am Singen zum Beruf gemacht haben. Die hier verwendete Aufnahme verdanken wir dem Ensemble Amarcord, das aus den Leipziger Thomanern, die ja bekanntlich in der Bachschen Nachfolge stehen, hervorgegangen ist. Die Aufnahme entstammt ihrer vorzüglichen CD „The Book Of Madrigals”. »Dankeschön!« Und auch ein Dankeschön an Karl Aloritias für den fünfstimmigen Notensatz.

Für heute ist die Singstunde zu Ende. Doch wenn sie euch ein wenig Mut gemacht hat, mehr und mehr die musisch-kreativen Seiten eurer Persönlichkeit zu entdecken – und kontinuierlich an ihnen zu arbeiten – so hat sie ihren Zweck erfüllt. Wer weiß, vielleicht wartet gerade in Deiner näheren Umgebung ein Chor auf Deine Stimme? In diesem Sinne: »Sing Dich frei!«




• Die richtigen Zeichen setzen •


Frühlingsbeginn

Trotz allem Irrspiel und Verwirrspiel, das uns die Weltbühne momentan in aufrüttelnder Inszenierung präsentiert, ist auf eines noch Verlass:

»Der Frühling hat sich eingestellt,
mit seinen lichten Farben,
verschönert uns die karge Welt,
die lange musste darben.«

»Licht!«

Dem Lichte strecken wir uns sehnsuchtsvoll entgegen, es umhüllt uns, die wir aus dem Lichte stammen, und dem wir, seien unsre Schritte noch so klein, voll Mut und Tapferkeit entgegenschreiten.

»Was ist Licht?«

Licht ist zentripetal komprimierte Schwingungsenergie (von Gott ausgehend, zu Gott zurückkehrend, auf das Rotationszentrum, der Lichtquelle hin ausgerichtete elektromagnetische Wellen, die durch geistige Kraft eine unserem irdischen Bewusstsein unvorstellbare Verdichtung erfahren). Da wir, als geistige Wesen und Kinder Gottes unsere Schöpfernatur nicht leugnen können, zieht es uns zum Licht, und wir tragen es in uns, in unserem Geist, und in jeder Körperzelle. Die Schöpfung, die uns den Geist Gottes in mannigfaltigster Weise erfahren lässt, lädt uns ein, ihr Gehör zu schenken; sie zu schätzen, sie zu achten, sie zu lieben, ist ein Gebot und eine Notwendigkeit, denn Liebe ist ein gleichwertiges Empfangen und Zurückgeben dessen, was der harmonischen Entfaltung des Ganzen dient.

»Wie eng verwandt sind Licht und Harmonie!«

Wer fand, dies auszudrücken, gewaltigere Töne, als Joseph Haydn? Wer in seine Musik eintaucht, der versteht fortan besser, was es heißt zu lieben: zu empfangen und zurückzugeben – und wir, als Menschen auf der Ebene der Erde, umschreiben dieses Wechselspiel von Geben und Nehmen nicht ohne Grund auch mit dem Begriff der Dankbarkeit.

»Bleibt zu Hause!«

Wir schauen in die Welt, und wir erschrecken. Es rumort an allen Ecken. Tröste Dich, mein Herz: allein beständig ist der Wandel, und eins ist sicher: nichts wird so bleiben, wie es ist. Was bleibt also zu tun?

Ruhe bewahren, und im persönlichen Lebensumfeld das tun, was zu tun ist: das, was wir in unserem Innersten als gut und richtig empfinden. Die Intuition ist dabei unser Ratgeber und Wegweiser, Schritt für Schritt und Tag für Tag. »Bleibt zu Hause!« Das riet angesichts der „. . . Wolfsgruben, Beinhäuser und Gewitterableiter . . .” in der äußeren Welt der Goethesche Zeitgenosse Jean Paul (1763 -1825) seinen Lesern: »Die nötigste Predigt, die man unserem Jahrhundert halten kann, ist die, zu Hause zu bleiben.« (in der Vorrede zu seiner Erzählung „Leben des Quintus Fixlein”) Das war in der Epoche des Sturm und Drang, und solche Worte waren neu, zur damaligen Zeit.

Seither hat sich viel getan. Gottlob, die Menschen begreifen es immer mehr bei uns. Wir sehen es an den Entscheidungen der Politik, die ein getreuer Spiegel unserer Entscheidungen als Individuen sind, sofern man sie nur einmal in der Durchschnittssumme betrachtet. Das jetzige „Jein” des deutschen Außenministers in der Libyenfrage ist eigentlich ein aus diplomatischen Gründen verklausuliertes „Nein”, und dieser Mut zum „Nein”-Sagen, der sich zum ersten Mal in der Entscheidung des damaligen Bundeskanzlers Gerhard Schröder, keine Truppen in den Irak-Krieg zu schicken (2003), vor der Weltöffentlichkeit manifestiert hat, wird Früchte tragen. Auch jetzt lassen die Deutschen ihr Kriegsspielgerät zu Hause, und das sind die Entscheidungen, die weltweit die richtigen Zeichen setzen.

»Mischt euch nicht ein!«

Ein wesentliches Talent guter Seelen ist es, sich nicht in die Angelegenheiten anderer einzumischen, egal, ob dies im kleinen Kreis Familienangehörige sind, oder im größeren Kreis ganze Kulturen und Nationen. Doch was geschieht, wenn Menschen sich in Angelegenheiten anderer Menschen einmischen? Um das zu verstehen, braucht man sich nur auszumalen, was geschehen würde, wenn . .  sich beispielsweise die Naturgesetze, die die Schwerkraft bearbeiten, in die Naturgesetze, die den Auftrieb bearbeiten, einmischen würden: hoppelnde Flugzeuge, möglicherweise. Doch Flugzeuge sind nun mal keine Hasen. Und das ist gut so. Die Schwerkraftgesetze kümmern sich darum, dass alle Materie dem Erdmittelpunkt zustrebt, und die Auftriebgesetze kümmern sich darum, dass Vöglein fliegen und Fischlein schwimmen können. Und so hat alles seine Ordnung, denn andernfalls wäre ein Chaos die unausweichliche Folge. Dasselbe beim Menschen: bringt der Mensch seine eigenen Angelegenheiten in Ordnung, geht alles in seinem Umfeld besser, und er wird zum Vorbild für andere innerhalb seines Lebensbereichs. Mischt er sich dagegen ein in Dinge, die ihn nichts angehen, so sorgt er für Schwierigkeiten und Chaos ohne Ende. Ein Blick auf das aktuelle Tagesschehen in der Welt, nicht nur in Libyen, macht uns das deutlich.

Wer gelernt hat, sich nicht einzumischen, der erwirbt sich Neutralität in hohem Maß. Das ist es, was ein Vorbild auszeichnet, und das ist es, was sich das gesamte Universum von uns Menschen wünscht. Die Schweiz hat dies bereits verwirklicht, doch gibt es nichts, was sich nicht noch verbessern ließe: als die Schweizer Lawinenrettungsgruppe mit ihren Bernhardinern nach dem Erdbeben, das im Jahr 1995 die japanische Großstadt Kōbe heimgesucht hatte, auf dem Flughafen der zerstörten Stadt eintraf, durfte sie tagelang wegen Quarantäne-Bestimmungen das Gelände nicht verlassen. Schließlich wurde sie auf die bereits vom Schutt freigeräumten Flächen geführt, und musste unverrichteter Dinge wieder abziehen. Ironie des Schicksals? Nein. Gott und das Universum schulen uns in dieser Weise Tag für Tag.

Der Mensch ist ein im Grunde hilfsbereites Wesen. Doch Helfen wollen macht leicht blind. Erinnern wir uns noch einmal daran, was wir eingangs gesagt hatten. Liebe ist ein gleichwertiges Empfangen und Zurückgeben dessen, was der harmonischen Entfaltung des Ganzen dient. Alles, was im Universum geschieht, basiert auf diesem energetischen Austausch, der stets ausgewogen sein muss. Wer kann in Liebe geben, so dass es der Entfaltung des Ganzen dient? Nur der, der über ausreichende Energiereserven verfügt, weil er fortlaufend die im Sinne des Universums richtigen Entscheidungen trifft.

Fast alle Nationen haben Japan großzügige Unterstützung zugesagt; Nationen, die billionenfach in der Kreide stehen. Geld verteilen, das man gar nicht hat? Doch es sind nicht die Staaten, die die Schulden machen. Sie sind nur ausführendes Organ, die Exekutive dessen, was jeder einzelne durch seine persönlichen Entscheidungen zu verantworten hat. Nehmen Sie einen Kredit in Anspruch?

»Bringt euer Haus in Ordnung!«

Wir tragen Verantwortung, für unseren persönlichen Lebensbereich, und für unsere täglichen Entscheidungen. Mit ihnen bauen wir entweder Energie auf, oder wir verlieren sie. Und genau das ist der springende Punkt. Was aber ist die vom Universum erwünschte Art, zu helfen? Zuerst müssen wir erkennen, wer in unserem Lebensumfeld die Richtigen sind, die Hilfe verdienen. Denn nur sie sind auch bereit, bei sich selbst zu beginnen, und ihre Schwierigkeiten selbst in die Hand zu nehmen. Wir sprechen hier auch von der Hilfe zur Selbsthilfe, den richtigen Menschen gegenüber. Das könnten beispielsweise

Doch gilt es in jedem Fall intuitiv zu prüfen, ob man helfen darf, und ob die Hilfe auf fruchtbaren Boden fällt. Andernfalls ist es ein Einmischung, die ungute Gefühle hinterlässt, und oft auch Streitigkeiten provoziert. Vor allem bei falsch motivierter materieller Hilfestellung (Mitleidpflicht!) erzeugt man Abhängigkeiten, die den Bedürftigen auf Dauer schwächen, und in seiner Unselbständigkeit verharren lassen.

Ach ja, dass ich′s nicht vergesse: am Sonntag wählen die Baden-Württemberger die Regierung, die sie durch das Jahr 2012 begleiten wird. »Die richtigen Zeichen setzen!« Doch Wahlempfehlung darf ich keine aussprechen. Neutral sein heißt auch unparteiisch sein. Nur so viel vorneweg: Gott ist am Steuer. Und das beruhigt ungemein. :smile:




• Sehen, was wirklich läuft •


Falleri und Fallera, Wasser ist zum Waschen da, doch zu was sind Augen da? Da brauchen wir nicht lang zu grübeln; klar: zum Sehn hat sie der Schöpfer konstruiert, ingeniös, ein Meisterwerk – doch hellsichtig sind wir deshalb noch lange nicht. Die Tagesschule grüßt, und erst mit ihr wird es vorm innern Auge licht.

Gestern wanderte ich hinauf zu den Schwarzwaldhöhen, zu einem typischen Waldhufendorf, das unter schwierigsten Bedingungen vor hunderten von Jahren entstand. Mitten im dornigen Urwaldgestrüpp, dem Lebensraum von furchteinflößenden Wisenten, hungrigen Bären und heulenden Wölfen sollte hier für die ersten Siedler ein neues Leben beginnen. Als Lehnwesen versprachen die Calwer Grafen demjenigen 30 Morgen Land, der bereit war, es zu roden und urbar zu machen. »30 Morgen!« Das bedeutete, dass man mit einem Ochsen 30 Vormittage pflügen musste, bis man wieder zur selben Stelle gelangte. »Fantastisch, die Aussicht auf so viel Land!« Ob er erahnte, was ihm bevorstand?

Die Ernüchterung erfolgte flugs an Ort und Stelle. Eine unvorstellbare Sisyphusarbeit stand denen bevor, die ihre Leibeigenschaft mit dem Dasein als freier Bauer vertauscht hatten. Nichts außer Dornen, Urwald, Fels und Stein. Der Boden karg, und stumpf die Axt: Verzweiflung ergriff selbst die Tapfersten und Mutigsten unter ihnen, und im Nu waren all ihre Lebenskräfte aufgezehrt. Wenn dann die Söhne ihre Väter zu Grabe trugen, so klang es trutzig über Wald und Feld:

»Den Ersten der Tod!
 
Den Zweiten die Not!
 
Den Dritten das Brot.«

Ich war sehr dankbar für die in Felsblöcke eingelassenen Schautafeln, die die Historie der Schwarzwaldbesiedlung lebendig machen, denn sie gaben mir „mein” Geschenk des Tages mit auf den Weg: „Man sieht nur, was man weiß!”. Und tatsächlich sah ich nun die Welt der mittelalterlichen Schwarzwaldsiedler mit ganz anderen Augen. Auch kann ich jetzt das nächste Mal den Menschen, die heute noch die Felder ihrer Vorfahren bestellen, mit viel größerer Ehrfurcht begegnen – wie beispielsweise dem Bio-Bauern, der jeden Mittwoch- und Samstagvormittag seine Kartoffeln auf dem Markt anbietet – das ganze Jahr hindurch, bei Regen, Schnee, stürmischem Wind und Eiseskälte. »Dankeschön!« Wir werden noch die Mühe solcher Menschen sehr viel mehr zu schätzen wissen – das kommende Jahr wird uns hierfür die Augen öffnen.

Man sieht nur, was man weiß!

Das verhält sich mit der Tagesschule nicht anders. Wissen geht verloren, wenn es nicht unterricht wird. Deshalb hat sich im 19. Jahrhundert letztendlich die gesetzliche Schulpflicht durchgesetzt. Ein langer Weg seit Martin Luthers Schrift „An die Ratsherren aller Städte deutschen Landes, dass sie christliche Schulen aufrichten und halten sollen” (1524).

Schulen, in denen die Tagesschule unterrichtet wird, gibt es noch nicht. Aber das ist nur eine Frage der Zeit. Steter Tropfen höhlt den Stein. Und da jede lernende Seele ihre Tagesschule erlebt – ungeacht dessen, ob sie sich bereits die Fähigkeit dazu erworben hat, sie sich auch bewusst zu machen – muss das dazu notwendige Rüstzeug vermittelt werden, um diesen Bewusstseinswerdungsprozess bei mehr und mehr Menschen, die dabei sind, aus dem Dämmerschlaf ihrer Seele zu erwachen, in Gang zu setzen. Ein langwieriges Unterfangen, das sich jedoch lohnt. Warum? Weil Tagesschule erkennen gleich Sich erkennen heißt. Und Sich vollkommen zu erkennen, in allen Stärken und Schwächen, das ist die grundlegende Voraussetzung dafür, sich zum wahren Leben emporzuschwingen: ein Leben im Geist unseres Schöpfers, der, wie Martin Luther sich ausdrückte, „… ein glühender Backofen voller Liebe…” ist, „…der da von der Erde bis an den Himmel reicht…” (aus der 7. Invocavit-Predigt zur Zeit der Wittenberger Wirren im Jahr 1522).

(K)ein Tag wie jeder andere!

Rückblende, Samstag, den 22. Januar: Wir klinken uns bereits am Vorabend in die Kausalkette ein, es ist Freitagabend.

Diese Zahl interessiert mich, und ich studiere den Kassenbon, was ich eigentlich eher selten mache. Ich sehe, was da alles steht, und rechne zusammen, und da stimmt alles, aber ein Posten hier, da steht Mango: 0,89 €, und ich habe keine Mango gekauft! Ich hab eine Papaya gekauft. Und dann, ich erschrecke, weil ich mich erinnere: die Papaya hat mehr als 89 Cent gekostet. Nach einigem Überlegen und Nachprüfen gehe ich zur Infothek, und spreche die Angestellte an, dass ich wahrscheinlich zu wenig bezahlt habe. Nun, sie kann es kaum glauben, dass da ein Kunde kommt, und sagt, er glaube, dass er zu wenig bezahlt hat. Und ein anderer, ein junger Mann, steht da, er öffnet den Mund. Und lässt den Mund geöffnet, und macht ihn nicht mehr zu. Wenig später kommt ein Mann hinzu, sein Vater. Es ist der Taxifahrer, der mich am Abend zuvor den Berg hinaufgefahren hat. Natürlich, solch ein Zufall . . . was einem alles zufällt, den lieben langen Tag!

Gut, also, wir klären die Sache, und ich bezahle noch einen Euro zehn, als Aufpreis für die Papaya, von Mango zu Papaya. Und dann bietet mir die Dame von der Infothek – das ist doch verrückt – bezahlt man einen Euro zehn – und dann bietet sie mir eine Schokoladentafel an! Als nette Geste möchte sie mir das überreichen. Die Geste in Ehren, aber nein, ich möchte keine Schokolade mit 75% Weißzucker und synthetischen Aromastoffen drin (Vanillin!) – ich möchte meinen Körper nicht kaputtmachen. Ich lehne die Schokolade ab, aber freundlich (das war eine Prüfung im Nein-sagen-können, also eine klassische Mutprüfung; und solch eine Mutprüfung zu bestehen, fällt spielend leicht, wenn man sich um mehr Ehrlichkeit bemüht). Hochinteressant ist der Betrag, den ich zu bezahlen hatte: 27 Euro 44 Cent. Wenn man nur verstehen könnte, was da alles in der Tagesschule läuft!

Was sagen uns diese Zahlen? Also, die zwei und die sieben, das ist privat, das sind meine Zahlen, aber die 44, das hat seine besondere Bewandnis. Diese Zahl steht für die 44 Hauptbereiche, in denen die Seele täglich lernt. Das heißt, wenn sich ein Mensch entscheidet, die 44 Hauptschwingungsbänder seiner Seele zu bearbeiten, sie zu verbessern und zu reparieren – denn bei nahezu allen Menschen sind sie durch Fehlentscheidungen verletzt – dann bekommt man jeden Tag Prüfungen, mit deren Hilfe man das tun kann. Wenn Du Dir also von Herzen wünschst, ehrlicher zu werden, dann bekommst Du spezielle Prüfungen in Ehrlichkeit, so wie diese hier mit der falsch eingetippten Mango, wo man Papaya gekauft hat, und für sie zu wenig bezahlt hat. »Bin ich gerne bereit, den Aufpreis zu bezahlen?«

Dieser Ehrlichkeitsprüfung gingen andere voraus, ein Beispiel: ich benötigte auch noch Büropapier, und hatte zwei Möglichkeiten

Bei genauerem Hinsehen entpuppte sich das eine als ausländische Importware, das andere als deutsches Markenprodukt, und ich hielt beide in der Hand. Beim teureren hatte ich ein besseres Gefühl, und also nahm ich es auch. Das sind typische Ehrlichkeitsprüfungen. Es ist ehrlich, seinen Gefühlen und seinem Gewissen zu folgen – und nicht seinem Verstand, der sagt: »Sei nicht so dumm, und nimm das günstigere, das tut’s auch!« Wer solch eine Ehrlichkeitsprüfung erkennt und besteht, verbessert nicht nur das wichtigste Schwingungsband seiner Seele, das der Ehrlichkeit, sondern auch zahlreiche andere wie beispielsweise

Und dann, als ich den Aufpreis bezahlt hatte, radle ich frohgemut nach Hause, und ich empfinde nicht mehr, dass der Betrag von 27 Euro 44 für diesen Einkauf teuer war. »Nein, es war ein Euro zehn zu wenig, und ich habe die Cherimoyas. Gut, sie haben einen Euro 79 Cent pro Stück gekostet, aber sie sind hundert mal so viel wert.« Es ist die intelligenteste Frucht, die es auf diesem Planeten gibt; sie haben den Zucker fürs Gehirn, um wach genug zu sein, seine Prüfungen zu erkennen und zu bestehen.

Ich komme spät nach Hause, und es wird sehr knapp mit der Theatervorstellung, weil sie in einem anderen Ort, und dazu noch hoch oben am Berg, auf der gegenüberliegenden Talseite, stattfindet. Ich setze das Abendessen auf, richte mir einen Nachtisch für die Theaterpause, und dann muss es Schlag auf Schlag gehen. Eigentlich wollte ich zu Fuß gehen, aber ich würde gravierend zu spät kommen. »Sollte ich überhaupt noch gehen?« Meine Intuition sagt ja, und ich hatte eine solche Vorfreude! Also nehme ich notgedrungen das Rad, um einige Minuten einzusparen. Hetze mag ich überhaupt nicht, und das Universum auch nicht. Und so schließen sich passgenau die Schranken, just in dem Moment, als ich mich der Bahnlinie, die ich überqueren muss, nähere. Die Ampel steht auf Rot (siehe Artikel Symbole, Ampel). »Verflixt und zugenäht!«

Solch eine Tagesschule kann man leicht verstehen: man ist zu knapp in der Zeit, und die Schranken sind unten, die Ampel springt auf Rot. Es dauert und dauert, und noch immer ist kein Zug zu sehen. Da ruft jemand hinter mir (es ist schon längst dunkel): »Sie, ihr Rücklicht ist kaum zu sehen, weil die Plastiktüte drüber hängt!« Ich drehe mich um, und bedanke mich bei der Frau, die die Fensterscheibe ihres Wagens heruntergekurbelt hat, für den Hinweis. In meiner Not frage ich: »Sie fahren nicht zufällig nach Unterlengenhardt?«»Doch.«»Gehen Sie ins Theater?«»Ja.«»Nehmen Sie mich mit?«»Ja!« Ich fass es nicht. Heute ist mein Glückstag.

Nein, das ist kein Glückstag, das ist Tagesschule! Das ist eine Belohnung für die bestandenen Ehrlichkeitsprüfungen. Ich stelle mein Rad ab, und die Frau und der Mann nehmen mich mit, und wir kommen noch pünktlich zur Aufführung! Wer hätte das gedacht? Der Abend war sehr schön, und ich genoß ihn voll und ganz – es war schließlich mein erster Theaterbesuch seit vielen Jahren. Und was stand auf dem Programm?

Das Leben in all seinen Facetten. Die beiden Schauspielerinnen vom (Duo Mirabelle) ließen uns Betrachter erahnen, dass es ein Leben vor und hinter den Kulissen gibt, und dass es sich lohnt, einen Blick hinter die Kulissen zu werfen. Neugierig geworden? Dann hilft nur eines – der tägliche Wunsch: Ich möchte sehen, was wirklich läuft! Ich möchte meine Tagesschule erkennen!




• Wie entsteht positive seelische Intelligenz? (II) •


Teil II

eiter geht es mit Teil II, nachdem wir bereits im ersten Teil gesehen hatten, dass der aufrichtige Wunsch und die tägliche Bitte die Grundbedingungen für mehr positive Intelligenz sind. Heute dominiert nun mein Lieblingsthema – will heißen „Mut”. Mut tut gut, das wissen wir. Doch was ist Mut denn ganz genau: Übermut? Wagemut? Hochmut? Wankelmut? Langmut? Ein Wort ist’s, das bislang noch fehlt: die Demut gibt dem Auf und Ab des Lebens erst Balance. Mit Demut kommen wir der Sache langsam, aber sicher, näher.

Am vorletzten Sonntag ergab sich für mich die Gelegenheit, einiges zum Thema „Mut” – was auch mein Tagesthema war – hinzu zu lernen. Ich hatte eine Orgelvertretung zu spielen, und konnte während des Gottesdiensts beobachten, wie eine ganze Gemeinde von der übergeordneten Intelligenz im Universum geschult wird. Das Schulungsziel: die Gottesdienstbesucher auf die entscheidende, und sorgfältig geplante Mutprüfung gegen Ende des Gottesdiensts vorzubereiten. Die Belohnung für das Bestehen dieser Mutprüfung: mehr positive seelische Intelligenz!

Derartige Zusammenhänge erschließen sich natürlich erst im Nachhinein, und so will ich erst jetzt – nach über einer Woche des Nachsinnens – darüber berichten, wie das Ganze vor sich ging. Auch wenn die Schlussfolgerungen nicht so leicht bekömmlich sind – Medizin schmeckt nun einmal recht bitter – so bleibt abzuwarten, ob nicht dem Einen oder Anderen nach dieser Lektüre ein Licht aufgeht :idea: .

Szenenwechsel, der Sonntagvormittag in der Rückblende

Der Prädikant, ein angehender Pfarrer, jung und voller Elan, kommt auf die Orgelempore. Er begrüßt mich. Er strahlt, und seine Augen funkeln. Ein Leuchten geht über sein Gesicht. Kein Zweifel: da kommt jemand, der von seiner Sache überzeugt ist. »Sie begleiten heute unsre Lieder?« – »Und Sie begleiten heute unsre Gemeinde?« Wir lachen herzlich. Gegenseitige Sympathie. Ablauf wie gewöhnlich. Es kann beginnen . . .

Auszug aus dem Wochenpsalm: „Unser Herr ist groß und von großer Kraft, und unbegreiflich ist, wie er regiert . . .”

Der Predigttext ist der Apostelgeschichte entnommen, die Bekehrung des Saulus (APG 9, 1-19). Es gibt zwei Protagonisten in dieser Geschichte, Hananias und Saulus (der spätere Paulus). Der Prädikant stellt eine provozierende Frage:

»Warum ausgerechnet der?«

Warum schickt Gott Hananias, einen seiner treusten Diener, ausgerechnet zu dem gefürchteten Saulus, der gegen alle, die sich zu Jesus bekennen, mit Gewalt vorgeht? Hananias erfährt im Zwiegespräch, dass Gott Saulus als sein Werkzeug auserwählt hat, seinen Namen vor Heiden und vor Könige und vor das Volk Israel zu tragen (Vers 15).

Hananias ist demütig. Er lässt sich bereitwillig dahin führen, wo Gott ihn haben will: in das Haus, in das Saul, von Gottes Lichtblitz zu Boden geworfen, von seinen Helfershelfern geführt wurde. Dort sitzt er nun, und weiß nicht, was geschehen wird. Er wartet, nichts sehend, nichts essend, nichts trinkend, schon seit drei Tagen.

Hananias tritt ein und legt ihm die Hände aufs Haupt: »Lieber Bruder Saul, der Herr hat mich gesandt . . . dass du wieder sehend und mit dem Heiligen Geist erfüllet werdest.«

Saulus ist ein anderer geworden: er ist wie ausgewechselt. Aus Saulus wird Paulus, fortan die treibende Kraft in der Sache Gottes.

Ich kenne keine Geschichte, die das Thema „Mut” eindrücklicher vor Augen führt, als diese Begebenheit aus der Apostelgeschichte. „Mut” wird von zwei gegensätzlichen Seiten beleuchtet. Hananias und Saulus spiegeln jeweils eine dieser Seiten wieder, doch beide Seiten wohnen jedem richtig gearteten seelischen Mut inne.

Hananias

  • Er soll zu seinem ärgsten Widersacher gehen: eine Aufforderung, die ihm alles abverlangt.
  • Ungewissheit und innere Zweifel stehen dem vollkommenen Vertrauen in die göttliche Führung gegenüber.
  • Durch Demut und Gehorsam entwickelt Hananias die notwendige innere Stärke.
  • Die unmittelbare Folge: mehr und mehr ruhige Gefühle der Geborgenheit und des Getragen Seins.
  • Conclusio:
    Ungewöhnliches wagen – aber nur, wenn die Intuition dazu rät.

Saulus – Paulus

  • Er ist zunächst völlig hilflos der Situation ausgeliefert: das macht ihn demütig.
  • Er erkennt in der Innenschau (Blindheit), dass sein bisheriges Leben verwerflich war, und schließt mit der Vergangenheit ab.
  • Er sagt sich von allem los, was ihm bisher wichtig war, und sagt »Nein« zu: Geld, gesellschaftlichem Ansehen, Einfluss und Macht.
  • Diese Standhaftigkeit hilft ihm später im Gefängnis, nicht den Mut zu verlieren.
  • Conclusio:
    »Nein« sagen können, wenn ein »Nein« erforderlich ist. Standhaft bleiben.

Für beide, Hananias und Paulus, gelten bedingungslos folgende
Charaktereigenschaften:

  • Geradlinigkeit
  • Standhaftigkeit
  • Aufrichtigkeit
  • Rückgrat zeigen können
  • Zähne zeigen können, falls erforderlich

Indikatoren bei andauernder Mutlosigkeit

  • Zahnprobleme
  • Rückenprobleme
  • Knieschlottern in dramatischen
    Entscheidungssituationen

Solche Probleme waren gewiss Hananias und Paulus Sache nicht!

Dem Prädikanten auf der Kanzel gelingt es, die Protagonisten zum Leben zu erwecken. Er kann begeistern, weil er selbst begeistert ist – das heißt, der Geist, der Heilige, kann in ihm wirken, weil er sich ihm geöffnet hat. Das überträgt sich auf die Zuhörer. Sie sind eingestimmt und vorbereitet. »Hananias und Paulus.«»Ja, die großen biblischen Gestalten!«»Hat das was mit uns zu tun?« Die Spannung steigt. Die Mutprüfung kann kommen.

Nach der Predigt geht es schnell dem Ende zu. Lieder singen, Vater Unser, Abkündigungen. Das Übliche. Veranstaltungshinweise, Einladungen, Dank an den Prädikanten, Dank an den Organisten. Auf einmal stellen sich die Ohren auf:

»Das Opfer der vergangenen Woche ergab . . . € und . . . Cent. Die heutige Kollekte ist für die Flutopfer in Pakistan bestimmt.«

Das war die offizielle Verlautbarung. Doch der Kirchengemeinderat fasst nach:

»Wie Sie alle sicher aus den Nachrichten wissen, ist das Ausmaß der Katastrophe viel größer als ursprünglich angenommen . . . «

In allen Farben schildert er die Einzelheiten. Eindringlich appeliert er an die Opferbereitschaft der Gottesdienstbesucher. Totenstille. Was jetzt wohl in jedem Einzelnen so vor sich geht?

Conclusio

Eine Woche später sitze ich wieder an der Orgel, und bekomme deshalb mit, wieviel die Gottesdienstbesucher letzte Woche gespendet haben. 50 Prozent mehr als gewöhnlich. Mutprüfung bestanden?

In der Zeitung lese ich, dass die Taliban mit Gewalt gegen die UN-Hilfsorganisationen drohen, weil aufgrund der Katastrophe „eine Horde von Ausländern” im Land sind. Das Kabinett beschwichtigt. Eine Million Euro Soforthilfe. Mitleid ist in unserer Gesellschaft Pflicht. Mutig sein hingegen nicht.

Was empfinden wir beim Anblick solcher Bilder? Wenn wir innerlich ruhig und unbelastet bleiben können, so sind wir weder gefühlskalt, noch egoistisch oder gar unmenschlich: vielmehr haben wir uns dann bereits ein hohes Maß an Objektivität verdient. Könnte Gott selbst solche Zustände ertragen, wenn er nicht in einer für uns unvorstellbar vollkommenen Weise objektiv wäre?

Das Einmischen in Angelegenheiten, die uns nichts angehen, sorgt für nahezu alle Schwierigkeiten auf dieser Welt. Es verhindert, dass Menschen lernen können, sich auf ihre eigenen Kräfte zu besinnen. Pakistan ist dafür ein sprechendes Beispiel.

Mutig „Nein” sagen zu können erfordert Stärke. Die gewinnen wir uns, wenn wir gegen den Strom schwimmen, wie es lebendige Fische tun. Wohin gelangen wir, wenn wir stromaufwärts schwimmen?

Zur Quelle! Zur Wahrheit! Zum Licht!

Erinnern wir uns an die Worte aus dem Wochenpsalm?

„Unser Herr ist groß und von großer Kraft, und unbegreiflich ist, wie er regiert . . . der den Himmel mit Wolken bedeckt und Regen gibt auf Erden . . .” (Psalm 147)

Und die massiven Regenfälle in Pakistan? Wechseln wir doch jetzt einmal den Standpunkt. Betrachten wir sie objektiv, und bar jeglicher Wertung. Was sind sie dann? Keine Katastrophe, sondern schlichtweg eine unfassbar weise Planung von höchster Stelle. Eine Vorbereitung für bessere Zeiten, denn Millionen von Menschen werden durch diese gewaltigen Naturereignisse geschult. Weitere derartige Ereignisse werden folgen, das sei verbürgt mit Brief und Siegel.

Und noch etwas: das Universum meint es gut mit uns. Es braucht uns Menschen mit mehr positiver Intelligenz. Und mit mehr Freude. Geteilte Freude ist doppelte Freude. Geteiltes Leid ist doppeltes Leid. Das ist das kleine Einmaleins der Seele. Virginia Woolf schrieb hierzu:

»Anteilnehmen können wir jedoch nicht. Die so weise Schicksalsgöttin sagt „Nein”.

Wenn ihre Kinder, kummergebeugt wie sie bereits sind, auch diese Last noch tragen und in ihrer Vorstellung Anderer Leid ihrem eigenen hinzufügen müßten, so würden Gebäude nicht länger errichtet und Straßen in grasbewachsene Pfade auslaufen; das wäre das Ende von Musik und Malerei, und nur ein großer Seufzer würde zum Himmel aufsteigen, und Männern wie Frauen blieben einzig Schrecken und Verzweiflung.«

Wollen wir das?

Ende Teil II




• Zeitgeschehen: Loveparade Duisburg •


ein, ich war nicht dabei, bei der „Loveparade” in Duisburg am vergangenen Samstag. Nur beiläufig habe ich von der Tragödie vernommen, und ich bin froh, dass keine Bilder von dem Geschehen vor Ort in mich eingedrungen sind. Dafür sind mir innere Bilder gekommen, die mir geholfen haben, die Zusammenhänge rund um den Unglücksfall besser zu verstehen. Und dass ich etwas darüber schreibe, hat mit meinem Tagesthema zu tun, das ich gestern zu bearbeiten hatte, und mir den Impuls für diesen Artikel gab: „Natürlich sein, sich geben, wie man ist, sich nicht unnötig tarnen.” Es ist eines der 44 Hauptschwingungsbänder der Seele, das einer Erklärung bedarf.

„Natürlich sein – sich nicht unnötig tarnen.” – in Duisburg sind die Verantwortlichen in Deckung gegangen, bei laufenden Ermittlungen, das ist nur zu verständlich: da schweigt man lieber, vor allem, wenn es um strafrechtliche Konsequenzen geht. Menschliche Regung zeigt sich dagegen an anderen Orten. Trauernde Angehörige, natürlich, sie erinnern uns an das, was der Schlagersänger Michael Holm vor gut 35 Jahren auf den Punkt gebracht hat: „Tränen lügen nicht”. Zahlreiche Menschen sind persönlich betroffen. Schuldige zu suchen ist müßig, wo die Eigendynamik von Hunderttausenden zu unkontrollierbarem und unvorhersehbarem Verhalten geführt hat. Steht nicht vielmehr jeder Einzelne mit seinen Entscheidungen in der Verantwortung? Schuldzuweisungen helfen niemandem weiter. Aus solchen Ereignissen zu lernen und zu verstehen, die kausalen Zusammenhänge zwischen den Ursachen und den verheerenden Auswirkungen herauszufinden – das ist die Aufgabe von uns Menschen aus höherer Sicht.

Wieso ziehen derartige Veranstaltungen so viele Jugendliche magisch an, obwohl die Risiken seit langer Zeit bekannt sind? Solche Großereignisse mit weit über einer Million Teilnehmern – „Megaevents” werden sie im neudeutschen Sprachgebrauch ja auch genannt – sprechen in vielen Menschen den göttlichen Wesenskern an, den sie allerdings – um sich zu schützen – die meiste Zeit in sich verborgen halten. Die „Loveparade” suggeriert es ja bereits im Namen: »Liebe! Befreiung! Glück! Ungestüme Lebensfreude!« – wenn auch nur für kurze Zeit, da machte sich wohl keiner etwas vor. Oder doch? Auf jeden Fall, das Bedürfnis, wieder einmal mehr sich selbst zu sein, den Harnisch und die Tarnkappe abzulegen, ist menschlich vollkommen verständlich. Auch dem Karneval, der fünften Jahreszeit, liegt dieses Bedürfnis mit zu Grunde. Unter der Oberfläche des ausgelassenen Feierns verbergen sich jedoch ganz andere Motive – vor allem die Sehnsucht nach Liebe, Zuwendung und Anerkennung durch Andere – und die „Loveparade” war ein Katalysator, der diese tiefe Sehnsucht aus den verdrängten Schichten des Unterbewußtseins ans Licht beförderte.

Tanz und Bewegung haben seit jeher etwas Befreiendes. Ursprünglich war die „Loveparade” eine Art Demonstration neu aufkommender Musikstile. Zeitgleich mit dem Aufkommen monotoner, tranceartiger Rhythmen aus dem Computer Ende der 80-er Jahre schufen sich begeisterte Szenegänger mit der „Loveparade” die Möglichkeit, einmal im Jahr eine exessive Tanzparty in der Öffentlichkeit zu feiern, um ihren Lebensstil über den begrenzten Raum der Diskotheken und Techno-Clubs hinaus vor aller Augen publik zu machen.

Entblößung um jeden Preis? Einmal im Jahr stand man nun also im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit: Tanzen und Feiern bis zum Abwinken, bis zur Erschöpfung und darüberhinaus – für einige Stunden den Alltag vergessen, den Frust, den Ärger, den Chef, einfach alles, was nun einmal lästig und – da es ja nur die Lebensfreude trübt – vollkommen überflüssig zu sein scheint. Für viele war die „Loveparade” der Höhepunkt des Jahres, für manche das Highlight ihres Lebens – nur einmal dabeigewesen zu sein. Doch ist Dabeisein wirklich alles?

Das Logo der „Loveparade”, die es ja nun nicht mehr geben wird, hatte ein blutrotes Herz im Mittelpunkt, um das sich kreisförmig zahlreiche, nach außen hin immer kleiner werdende Punkte gruppierten; sozusagen ein stilisierter Blick aus der Vogelperspektive auf die Köpfe der Tanzenden, die sich um das „Lovemobil” drängten. Aus diesen technisch hochgerüsteten „Lovemobils” (Kostenpunkt der Audio-Ausstattung eines solchen Mobils: ca. 50.000 €) trieb der monotone Rhythmus in einer Lautstärke, die ein still dabeistehender Zuschauer kaum verkraften könnte, die Tanzenden in die Ekstase. Verwundert es, dass zeitgleich mit der Verbreitung der Technomusik eine Party-Droge aufkam, die auf den Namen „Ecstasy” getauft wurde? Schnelle Technorhythmen erinnern in der Tat an ein rasendes, zuckendes Herz, an den millionenfach verstärkten Puls des menschlichen Organismus in einem Zustand der permanenten Überlastung; ein Organismus, der kaum mehr nachkommt, genügend Blut durch den Kreislauf zu pumpen. Man weiß seit langer Zeit vom Sport, dass der Körper nach intensiver Belastung vermehrt Endorphine, auch „Glückshormone” genannt, ausschüttet. Sie suggerieren ihm neue Kräfte, obwohl der Organismus bereits vollkommen erschöpft ist. Lebensenergie verpufft, Warnungen verschwinden. Eine Art euphorische Trance ist die Folge, in der die bewußt-objektive Wahrnehmung des Geschehens weitgehend ausgeblendet wird.

Szenenwechsel. Seit langer Zeit habe ich kein Fernsehgerät mehr, und ich bin froh darum – mein Geist fühlt sich seither sehr viel leichter und ruhiger an, und dieses befreite Bewußtsein tut mir gut. Manchmal steigen Fernsehbilder, die ich als Heranwachsender angeschaut habe, wieder in mir hoch – so wie jene amerikanische Serie, die ich mir damals nie entgehen ließ: „Auf der Flucht” hieß sie, und sie zeigte einen Menschen, der von der Polizei gejagt wurde, Tag und Nacht – ob er ein Verbrechen begangen hatte, oder nur verdächtigt wurde, blieb unklar – ein Nervenkitzel über Wochen und Monate hinweg. Dieser Mensch kam nie zur Ruhe, fand nie entspannenden, erholsamen Schlaf. Er agierte wie ein gehetztes Tier, dessen Spuren die Bluthunde wittern.

Heute weiß ich, warum mich diese Serie in den Bann geschlagen hatte: ich erlebte ein klein wenig von mir selbst, denn auch ich war auf der Flucht. Vor der Realität, vor der Wahrheit, und vor allem: vor mir selbst. Fleißig bastelte ich mir Traumwelten zusammen, stürzte mich in Abenteuer, später dann in Stress und Arbeit, weil ich der Auseinandersetzung mit meinem wahren Selbst aus dem Weg ging. Und, zugegeben, weil ich in der Außenwelt – meine eigenen Handlungen und Entscheidungen mit eingeschlossen – so wenig von dem vorfand, was meinem wahren Wesen im Innersten entsprach: Licht und Liebe. Was blieb, war eine ungestillte Sehnsucht. Ist es Zufall, dass sich Sucht auf Flucht reimt? Ist nicht auch die „Loveparade” ein Synonym für die Flucht vor der Realität?

Wir leben in einer Welt voller Versprechungen. Verlockende Angebote, bunte Vögel, der Preis ist heiß. Kein Wunder, dass man sich bei Lockvogelangeboten schnell die Finger verbrennt. Besser, man prüft vorher. Nicht einmal, nicht zweimal. Ständig! Jeder Mensch hat vollkommene Entscheidungsfreiheit, innerhalb eines Umfelds, das immer undurchschaubarer wird. Ein (Ver-)Irrgarten. Ohne höhere Führung ist man darin unweigerlich verloren. Unsere Schwierigkeiten im persönlichen Bereich, wie auch im großen, globalen Getriebe dieser Welt spiegeln uns allzu deutlich die Konsequenzen unseres eigenmächtigen Handelns – Ursache und Wirkung – und sonst nichts.

Wenn wir also keine Opfer sind, sind wir dann Täter wohl zu nennen? »Tät-er das, was er tun sollte, käm’ er nicht in Schwierigkeiten!« ruft es von oben. Die Sani-tät-er hatten in der Nacht zum Sonntag alle Hände voll zu tun. „Sanitas” umfasst als Begriff die körperliche und geistige Gesundheit des Menschen, und hier gilt es, vom willenlos Dahintreibenden „Tät-er” zum willensstarken, tätigen Menschen heranzureifen.

Damit schließt sich der Kreis: „Natürlich sein, sich geben, wie man ist, sich nicht unnötig tarnen.” Das ist gar nicht so einfach, in einer Welt hochfrequenter elektronischer Wechselfelder, der Mobiltelefone, der Nanotechnologie, der Gentechnologie, der akkustischen und informationstechnologischen Dauerberieselung – und, fast hätten wir’s vergessen, der Musiktechnologie, Technomusik, Hip-Hop, Rap, und was es sonst noch alles gibt, respektive. Leben aus der Retorte? Bei der „Loveparade” dabei zu sein, das empfanden viele Jugendliche als „hip” und „cool”. Wie kann man in einer hochtechnisierten Welt, die überwiegend materielle Werte propagiert, seelisch heil durchkommen, geschweige denn natürlich sein?

Besser, wir zünden ein Licht an, als über die vorherrschende Orientierungslosigkeit zu klagen – denn es ist durchaus ein langsamer Wandel zu erkennen. Wechseln wir den Standpunkt. Sehen wir diese Situation als Herausforderung, als Chance, den ersten Schritt zu tun, immer und immer wieder – denn steter Tropfen höhlt den Stein. Indem wir unsere eigene Intuition und Seelenkraft stärken, werden wir zum Vorbild für unsere Mitmenschen.

»Mut! Mut! Mut!«

Rückgrat zeigen

Mutig sein heißt: Nein sagen können, Rückgrat zeigen, standhaft bleiben, sich selber treu sein, auch wenn die ganze Welt – meist ist es ja nur die Mehrheit der Gesellschaft – ihr Fähnlein nach dem Wind ausrichtet. Natürlich sein, das heißt auch, die Natur zu unserem Verbündeten und Gefährten zu machen. Wir brauchen die unverfälschte Intelligenz der Natur – die die Intelligenz Gottes ist – in unserer Nahrung, in unserer Luft, in unserem Wasser, und in unserem Körper. Entwickelt sich unser Körper Tag für Tag in eine gesunde, natürliche Richtung, so gesundet die Seele mit ihm und in ihm.

Deshalb: die Menschen in unserem Land brauchen Vorbilder. Dringend. Werden sie eins. Nehmen Sie Ihre Gesundheit selbst in die Hand. Sagen Sie »Nein« zu Gentechnologie und Nanotechnologie in Nahrungsmitteln – durch Ihren bewußten Einkauf. Seien Sie bereit, an sich zu arbeiten, und beginnen Sie in allem bei sich selbst. Bringen Sie den Wunsch auf, der Stimme Ihres Gewissens zu folgen. Fragen Sie jeden Tag Ihre Intuition: »was ist heute wirklich wesentlich, was sollte ich jetzt wirklich tun?« Wie schrieb Johann Heinrich Zedler (1706 – 1751) in seinem Universallexikon unter dem Eintrag „Gesundheit” so treffend:

„ . . Nächst diesen schreibt man auch dem menschlichen Verstande eine Gesundheit zu, wenn nemlich sich selbiger in dem Stande befindet, dass er das wahre und falsche recht erkennen kann, und nach der wahren Erkenntniß den Willen beweget, sein Thun darnach einzurichten . . ”

Rückgrat zeigen

Wir müssen zur Natur zurückkehren, wenn wir begreifen wollen, was „natürlich sein” wirklich bedeutet.