
„Wo – chen – end und Son – nen -schein,
und ich bin mit mir al – lein,
di – dl – tra – la – la – la – la – la – la,
Wo – chen – end und Son – nen -schein!”
„Der Himmel ist trübe, der Himmel ist grau,
wo bist du, du sonnendurchflutetes Blau?
Wir haben dich lange schon nimmer gesehn,
kein Vöglein mag singen, kein Lüftlein mag wehn.”
So dachte ich, fröstelnd, am Samstagmorgen – ein typischer Wintertag eben. Ausgehungert nach Sonne und Wärme, nach Licht und nach Farben, so wächst sie im Nu, die Dankbarkeit. Wie schön, dass es Badewannen gibt! Und warmes Wasser aus dem Hahn. Winterzeit ist Badezeit. Ein Bad tut gut, nicht nur dem Körper, es entspannt den Geist und streichelt unsre Seele. »Schließ die Augen, ruhe sanft!« So schön war’s sonst nur im Mutterbauch.

Jetzt gibt es sie, die Sonnenkraft, gespeichert in Orangen und Zitronen, gewachsen an den Hängen des Vulkans: noch atmet seine Majestät, der Ätna, gleichmäßig wie in tiefem Schlaf. Tarocco nennt sich jene Sorte, an der sich schon der gute Friedrich, seines Zeichens Herrscher des Heiligen Römischen Reiches, als Kind erfreut hatte – denn Friedrich der Zweite wuchs nicht auf der Stammburg der Staufer im Schwäbischen auf, sondern in Palermo, der Hauptstadt Siziliens. Seit Friedrichs Tod – und der darauffolgenden kaiserlosen Interregnumszeit – glaubt das Volk noch immer, dass er im Ätna schläft. »Gar manches Mal die Erde bebt, wenn Friedrich seine Glieder hebt.« Doch was wird erst geschehn, wenn er erwacht!
Nun gut, so tat ich’s also Friedrich nach, und wärmte mich am Sonnenfeuer der Orangen, und siehe da: was mir der Samstag wohl verwehrt, das hat der Sonntag umgekehrt – der Sonntag machet seinem Namen Ehre, ein Sonnentag ward es, azurnes Blau am Firmament.

Sonne sei willkommen! Selbst bei Eiseskälte ist jeder Sonnenstrahl auf der Haut eine belebende Nahrung (Vitamin D; Alternative: Lebertran).
Vergeben und vergessen sind sie nun, die trüben Gedanken des Vortags – und umso klarer zeichnet die Natur die Landschaft in das weite Blau des Himmel; in den glitzerndweißen Schnee. Wie Topas, Beryll und Chrysolith, wie Smaragd, Jaspis, und Amethyst funkeln die Schneekristalle im Vorübergehen; bei jedem Schritte knirscht und knarzt der Schnee – es ist das einzig wahrnehmbare Geräusch an diesem verheißungsvollen Morgen, das Pochen meines Blutes einmal ausgenommen. Ich liebe diese Stille; entrückt ist man der Welt, und näher bin ich Dir, Gott, Schöpfer dieser Herrlichkeit und Pracht. Tief aus dem Tale steigt das Glockengeläut empor; es ruft Menschen zusammen, um Gottes Wort zu hören. »Gottes Wort!« Es spricht zu uns an jedem Ort – doch stille werden müssen wir, um es auch deutlich wahrzunehmen. »Die Kristalle!« – »Das Neue Jerusalem!« Da sind sie wieder, die 12 Edelsteine der Apokalypse, wie sie dem Evangelisten Johannes offenbart wurden. Chalzedon und Carneol, Sardonyx und Chrysopras, Hyazinth und Saphir: jetzt sind sie alle aufgezählt, und wie die zwölf Apostel stehen sie in typischer Gebärdensprache hinter Glas: ja, in der Tat! Dort gegenüber auf der anderen Talseite, hoch droben am Berghang, beherbergt die anthroposophische Paracelsusklinik ein Schatzkästlein mit Mineralien und Edelsteinen. Mit heißen Ohren las ich dort, vor dem unscheinbaren Schränckchen sitzend, in den Bänden zur Edelsteinkunde, und regelmäßig gehe ich wieder hin, um die Schwingungen in meinem Körper aufzufrischen. Welch ein Geschenk ist dieses Haus! Es ist ein Haus mit offenen Türen, und ungehindert geht man ein und aus. So bauen diese Menschen hier mit Liebe und Vertrauen an einer neuen Welt.
Was wird die Zukunft bringen? Das Alte muss dem Neuen weichen; die Zeit rückt unaufhaltsam näher, wo alle Sicherheiten, die sich auf menschliche Klugheit stützen, sich als trügerisch erweisen werden. Die Felsen, die allein der Brandung widerstehen können, sind die Werte, die wir bis dahin in unserer Seele entwickelt haben werden; allen voran Mut, Gottvertrauen, Dankbarkeit, Ehrlichkeit, Selbstlosigkeit, Hilfsbereitschaft den Richtigen gegenüber, und das Fundament an Gesundheit, über das unser Körper, sofern wir fleißig waren, verfügen darf. So lässt sich dann die Zeit des Mangels und der Entbehrung besser überstehen. Was genau geschehen wird, das wissen wir nicht. Doch dass etwas geschehen wird, das spüren tausende von Menschen.
Der Weg, den ich gehe, führt mich zur Hochebene hinauf. »Sieh da, eine ganze Herde Schafe!«

Hunger kennt unsere Generation noch nicht. Die Folge: wer satt ist, wird in der Regel zu träge, um tiefe innere Dankbarkeit empfinden zu können.
Während ich in die Sonne blinzle, beobachte ich die Tiere, wie sie mit ihren Hufen den gefrorenen Boden aufscharren, um an die Wurzeln der Gräser zu kommen. Beharrlich verrichten sie ihre Arbeit, die Jungtiere stehen an Fleiß den Älteren kaum nach. »Wahrlich, ein bescheidenes Mahl!« Ich kann nur staunen. So genügsam bin ich nicht. Kennt ihr den Traum des Pharao, der ihm von Joseph ausgedeutet wird?
Besser ist es, sich schon jetzt in Dankbarkeit zu üben, und nichts, aber auch gar nichts, als selbstverständlich hinzunehmen. Es ist eine gute Übung, einmal so zu essen – bewusst, mit Freude und Hingabe – als wäre es die letzte Mahlzeit; so, dass man den Geruch und den Geschmack der Speisen wie die Farbe und die Konsistenz der Zutaten präzise mit Worten wiederzugeben imstande ist. Wie schmeckt denn eigentlich Meersalz? Und wie das vollmundige Olivenöl? Und der im Eichenholzfass gereifte Balsamico? Und wie ein Blatt von Feldsalat, unangemacht? Mmmmmh, mir läuft schon jetzt das Wasser im Mund zusammen. Einstweilen bin ich froh, dass ich noch alles im Haus habe. Ich muss zurück. Zeit fürs Mittagessen . . .
Köstlich war es. Gemüseeintopf mit dicken weißen Bohnenkernen. Nein, das war nicht meine Henkersmahlzeit – ganz im Gegenteil – und ich will hier auch keine Ängste schüren. Die Welt wird nicht untergehen, doch sie wird sich – und die Menschen in ihr – verändern müssen. In diesen Veränderungen liegt eine unglaubliche Chance für unser persönliches Wachsen und Gedeihen – eine Chance zur Entfaltung unserer seelischen Werte – und das ist es, was wir, voll Zuversicht und Dankbarkeit im Herzen, klar erkennen sollten. Gott, der Schöpfer, hat sich unvorstellbare Mühe gegeben, uns zu erschaffen, und uns eine interessante Entwicklungsebene zur Verfügung zu stellen, so dass wir an unseren Fundamenten bauen können. Wir nennen diese Entwicklungsebene die Erde, und sie ist wirklich wunderschön.

Der Tag neigt sich zu Ende, die Sonne legt sich schlafen. Ein tiefer Friede breitet sich über das Tal, dessen Konturen mehr und mehr verblassen. Hierher hat mich Gott gestellt, und so schlag ich fleißig Wurzeln. Und Du, hast Du Deinen Platz bereits gefunden?