• Frühjahrsputz •


ie beste Zeit im Jahr ist mein,
da singen alle Vögelein,
Himmel und Erden ist der voll,
viel gut Gesang, der lautet wohl.

tagesbeginn.js

Eine Freude ist es, mit den muntern Vögeln aufzustehen, und dem neuen Tag zu danken: vieles bringt er mir zum lernen.

Wachsen kann
ich und gedeihen,
meine Kräfte messen;
und mir selbst verzeihen.
Alles wird mir nicht gelingen,
Angeln legt die Welt und Schlingen,
achtsam setz ich Schritt auf Schritt;
»Führt mich!« ist’s, was ich erbitt’.

Und sie führen mich, am liebsten in den Wald, der mir zur zweiten Heimat schon geworden ist. Hier finde ich nicht nur die Stille, die mich hören lässt, hier finde ich so viele gute Freunde, die mir ihre Lebenskraft, ja, ihren Lebenssaft zu opfern willig dienen. Ich ehre sie, verzehre sie: mit Hochachtung und Hochgenuss – die Brennnessel.

Und wenn man von der Orgel als der Königin der Instrumente spricht, so gebührt der Brennnessel, die Königin der Pflanzen zu sein; ohne mit dieser Ehrung den Wert all ihrer Hofdamen im Geringsten schmälern zu wollen. Nicht von ungefähr sprach Ralph Waldo Emerson, der tiefgründige amerikanische Transzendentalphilosoph (1803-1882), vom Unkraut als einem Kraut, »das der Mensch so nennet, weil er dessen Wert noch nicht erkannt hat.«

Wir ahnen nicht, warum in unseren Breitengraden die Brennnessel so sehr verbreitet ist; sie wartet nur darauf, in ihren Werten neu entdeckt zu werden, um viel mehr Menschen als bisher zu blühender Gesundheit zu verhelfen. In der klassischen Kräuterheilkunde nahm sie schon immer einen hervorragenden Stellenwert ein; doch klug ist jener, der sie nutzt, um sein Talent, Gesund zu sein, immer weiter auszubauen. Gesünder zu werden, dient beileibe keinem Selbstzweck: wer wünschte sich nicht, immer glücklich nur zu sein? Doch dazu braucht’s, was auf der Hand liegt, einen glücklichen und sehr gesunden Körper. »Hallo Partner, dankeschön!« Körper und Seele gehören nun einmal zusammen, und wenn du deinen Körper liebst, so tu etwas für ihn!

Gerade jetzt, nach einem langen Winter, wollen sich unsere Körperzellen und Blutgefäße von den Ablagerungen befreien, die sich über Monate hinweg in ihnen angesammelt haben. Großreinemachen heißt die Devise, und das Bedürfnis, unser Haus oder unsere Wohnung auf Vordermann zu bringen, spiegelt das Bedürfnis unseres Körpers wieder. Also zugepackt, und nehmt den eisernen Besen in die Hand! Doch streift euch lieber erst einmal die Handschuhe über, damit ihr euch nicht brennt. Später werdet ihr, wenn ihr Brennnesseln wirklich schätzen gelernt habt, mit Erstaunen feststellen, dass sie euch nicht mehr brennen; man muss sie nur beherzt und doch mit Liebe pflücken.

Warum nun ist’s ein eiserner Besen, der Wunderdinge in unserem Körper zu vollbringen vermag?

 

Das zu beleuchten, überlasse ich nun gerne Dir, liebe Kräuterfee, die Du aus einem überreichen Erfahrungsschatze schöpfen kannst. Sag an, wer bist Du, und was tust Du?

„Ich bin Susanne, Mutter von 3 Kindern und Großmutter von einem Enkelkind, wohne gemeinsam mit einem Teil unserer Familie in unserem selbstgebauten Haus in einer der schönsten Gegenden in Österreich, im Salzkammergut. Mein großes Anliegen, Gesundheit zu pflegen und zu verbreiten, verwirkliche ich mit meinem Beruf als Naturheiltherapeutin. Nebst Kräuterkunde und Kinesiologie (Anm. d. Verf.: Aufspüren und Auflösen von Energieblockaden durch Muskeltests) gebe ich Unterricht in CANTIENICA® – Körpertraining. Körpergerechte Bewegung und optimale Aufrichtung geben dem Körper Spannkraft und Energie.”

Du lebst und arbeitest in Scharnstein, unweit des schönen Traunsees. Bist Du hier auch geboren?

„Nein, ich bin im nordöstlichen Teil von Österreich in der Nähe von Wien, im Weinviertel aufgewachsen.”

Erzähle uns kurz etwas von Deinem Werdegang.

„Meine Heilpraktikerprüfung hab ich 1992 in Einbeck bei Northeim (D) abgelegt. 2004 habe ich mich damit selbstständig gemacht. Seit 2008 hab ich in Scharnstein in unserem Haus meine Gesundheitspraxis eingerichtet.”

Segen von oben: die Landesregierung
fördert das Bemühen um Gesundheit.

Vom Land Oberösterreich hast Du vor kurzem einen Förderpreis für die „Gesunde Gemeinde Scharnstein” entgegengenommen, wie man auf nebenstehendem Foto sehen kann. Was hat es damit auf sich?

„Ein gesundes Umfeld hilft dabei, seine eigene Gesundheit zu wahren und zu pflegen, und deswegen leite ich in unserem Ort das Netzwerk „Gesunde Gemeinde”.
 
Unser Arbeitskreis organisierte das Projekt „Scharnsteiner Festtage für alle Sinne“.
Diese Veranstaltung hat 600 Besucher angelockt und an die 50 VeranstalterInnen trugen zu einem bunten Programm für Jung und Alt bei. Wir erhielten dafür einen respektablen dritten Platz von den Gesundheitsförderungspreisen des Landes Oberösterreich.”

Inzwischen dürfen sich in Oberösterreich bereits über 400 Gemeinden mit dem Prädikat „Gesunde Gemeinde” schmücken (Stand vom Frühjahr 2010). Gesundheit und bewusste Ernährung erleben einen ungeheuren Aufschwung. Wie würdest Du Deine Lebensaufgabe umschreiben?

„Wirksam sein zum Wohl Aller – für Mensch, Natur und darüberhinaus.”

Warst Du bereits als Kind intuitiv veranlagt und naturverbunden?

„Ich glaub’ alle Kinder sind intuitiv veranlagt. Das wird ihnen leider sehr bald abgewöhnt. Naturverbunden aufgewachsen – nicht wirklich und nicht bewusst. Wir hatten einen kleinen Hof mit Feldern und Weingärten. Ich war gern im Garten und ich hab die Verbindung zur Natur gesucht.”

Was kann ein Mensch tun, um seine Intuition wiederzufinden?

„Verbindung zur inneren und zur äußeren Natur aufnehmen.”

»Wie das wohl geht?« – so wird sich manches stressgeplagte Menschenkind nun fragen. »Ganz einfach! Hört gut zu, was uns die Kräuterhexe Wundersames zu erzählen weiß . . .«. 

Vorhang auf!

Punkt. »Punctum«, sagen die Gelehrten. Doch der punctum saliens, der springende Punkt, ist letztlich nur die eine Frage: „Gibt es was Gutes, außer man tut es?” Dann aber nichts wie los! Auf in den Wald zum Brennnesselpflücken! Vergesst nicht, Tüte und Handschuhe mitzunehmen. Und streitet euch nicht, wenn euer Nachbar auch welche will. Seid selbstlos; schenkt ihm doch einfach die schönsten Exemplare aus eurer Wundertüte!

Nächster Kräuterlehrgang: 11. – 13. Juni 2010
Ein außergewöhnliches Wochenendseminar mit Kräuterfee Susanne auf der idyllischen Lichtquellalm, im Salzkammergut, nicht weit von Bad Aussee, auf eintausend Metern Seehöhe gelegen.

Die violett gefärbten Blätter
sind besonders eisenreich.

Anmerkungen für die Praxis:
1) Grüngetränk aus Brennnessel
Eine Handvoll Brennnesselblätter mit Quellwasser 20 Sekunden mixen, bis das Wasser eine tiefgrüne Färbung aufweist. Durch ein Tuch filtrieren, sofort trinken. Mit etwas frisch ausgepresstem Zitronensaft lässt sich das Eisen aus den Brennnesseln leichter auswerten.
2) Polenta mit Brennnesseln und Schafskäse
Das ist eine „Powermahlzeit” für die Remineralisierung des Körpers. Reichlich Vitamin- K  aus grünem Blattgemüse, ein vielfältiges Spektrum an Mineralstoffen und Spurenelementen – damit führen wir den Körperzellen einen ganzen Schwung natürliches Calcium, Kalium, Magnesium, Kupfer, Eisen, Phosphor und Kieselsäure zu, die mit Hilfe der  K -Vitamine als Katalysatoren in die Lage versetzt werden, „geplünderte” Körperdepots langsam wieder aufzufüllen.

»Mmmmmh, ein Gedicht!« Und ein
Wundermittel dazu.

Die Zubereitung ist sehr einfach; zwei Esslöffel Maiskörner (pro Person) feinschroten, das geschrotete Mehl bei schwacher Hitze 10 Minuten im Wasserbad ausquellen lassen, einen Topf mit Brennnesseln ebenfalls bei schwacher Hitze 10 Minuten köcheln lassen. Wer Bärlauch im Haus hat, kann eine Handvoll Bärlauchblätter hinzugeben, das ergibt ein vorzüglich-feines Aroma! Dann das Gemüse im eigenen Sud feinmixen, mit feingehackter roter Zwiebel und Frischkräutern servieren. Wenn das Essen nur noch handwarm ist, mit zwei Esslöffeln frischem Leinöl übergießen.
Bewertung: ***** Soviel Sternlein, wie am Himmel stehen :smile: Kostengünstig und garantiert mit Nebenwirkungen! (regelmäßig zweimal die Woche gegessen, dreht sich die Lebensuhr dann fortan rückwärts…)




• Zum Ausbruch des Eyjafjallajökull auf Island •


ankgebet

Es regnet Asche übers Land
wer streut sie aus, mit voller Hand?
Der ists, der Mutter Erden Schoß
geöffnet, dass mit mächt’gem Stoß
durchbricht das Magma Eis und Schnee,
o Menschlein klein, in Furcht und Weh,
so zitterst du ob Gottes Stärke,
stumm stehst, und still, du vor dem Werke.
 
Gott ist dein Schöpfer, Schutz und Schild,
sieh, was aus seinen Händen quillt!
So nimm sie an, die Himmelsgabe,
dass sie erschöpfte Erden labe,
dass sie das Feld uns stärke, Korn, und Ähre,
dass sie lebendigere Nahrung uns gewähre.
Wenn kraftvoll fruchtbar wird der Boden nun,
so ist es ganz allein Dein Werk, Dein Tun.
 
Komm liebe Asche, mit dem Regen,
auf unser Feld, und bringe Segen.
 
Amen




• Die große Kälte •


rühlings Erwachen . . .

»Wie lange lässt du mich noch zittern?« So klagt das zarte Blümlein seiner Herzenssonne, die unerbittlich ihrer Bahn folgt, und sich einstweilen hinter Wolken recht bedeckt hält.

„Der Schnee, der gestern noch in Flöckchen
Vom Himmel fiel,
Hängt nun geronnen heut als Glöckchen
Am zarten Stiel . . .”

»Steig höher! Wärme mich! Ich harrte hier im Dunkel für so lange Zeit – du Prächtige, mein Herzenswonne, sei du mein Ehrenkleid!«

»Ach lass doch nicht dein Köpflein hängen! Das tut mir weh, wenn ich so gramvoll dich gebeuget seh! Ich wärme dich, hab nur Geduld, ich bin ohn’ Schuld — ein jedes Ding braucht nun mal seine Zeit.«

»Du liebe Sonne du! Du hast gut reden! Feurige Jugend, gleißendes Licht, vergiss deines harrenden Glöckchens nicht! Und ich will kräftig mich derweil in Anmut dir entgegenstrecken.«

Wer hat sich schon einmal ganz tief gebeugt, um dem leisen und wehmütigen Geläute blühender Schneeglöckchen zu lauschen? Filigran kommen ihre Töne daher, zerbrechlich wie ein gläsernes Meer, auf dem sich die Lichtpunkte des Himmels spiegeln. »Still!« Wer diese Glöcklein hören will, muss innehalten. Der Alltagslärm lässt scheinbar sie verstummen; doch schweigen wir, beginnt es da und dort zu summen — ganz sachte klingend läutet es den Frühling ein . . .

schneegloeckchen.js

Sind’s nicht verklärende Worte, die der Poet einst fand? Musik und Dichtung reichen sich die Hand. Was uns berückt, ist ihm geglückt: dem Rückert, Friedrich – das ist des Dichters werter Name. Kann solch ein Name Zufall sein? Sei’s wie es sei, ’s ist einerlei, der Name spricht für sich . . . :wink:

Und die Musik (Liederalbum für die Jugend, R. Schumann)? Die Töne, die im Morgenlicht wie Tropfen von den Blättern perlen, entführen uns in jene Zeit, als Elfen, Feen und Geisterwesen unser Land regierten – insgeheim natürlich, wie man hinzufügen muss; denn nur der wird ihrer angesichtig, der sich nicht scheut, den Wanderstab an die Hand zu nehmen, um durch schaurig-schöne Vollmondnächte hinzuschreiten. Über Wiesen und Auen geht es; mild und stumm breitet der Mond sein sanftes Licht aus über weite Felder; andächtig und behutsam trittst du ein - - in den Hain, dem nun der Frühling neues Leben angedeihen lässt.

»Geduld, Geduld!« So schnell geht’s heuer wirklich nicht. Indess – das Warten auf das frische Grün fördert die Dankbarkeit in unsrer Seele. »Die ersten Farben!«»Das erste Blau!«»Ein sattes Gelb am Wegesrand!«»Welch Jubel, den die Vögel künden!« Stimmen auch wir den Lobpreis an; in Ehrfurcht staunend ob dem Walten der Natur.

»Ob sich im Garten schon was regt?«
»Noch liegt das Gartenhaus verdunkelt.«
»Oho, es rumpelt bei der Hecke!«
»Schaut da ein Erdgeist um die Ecke?«
 
Nur einer wagte sich hervor,
doch alle rufen jetzt im Chor:
»Ach Herr, wir können’s kaum erwarten,
schließ ER uns auf den Frühlingsgarten!«

Ob wohl der Herr des Hauses ihre Bitt’ erhört? »Zum Glück hat er den Schlüssel abgezogen!« So können wir mitsamt den Zwergen zumindest einen Blick durchs Schlüsselloch erhaschen.

Mit gedrückter Maustaste können Sie auf Erkundung gehen…

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ER hat die Schlüssel in der Hand. Gott, Vater, Schöpfer, Heil’ger Geist! Licht, Leben, Glück und Freude, alles quillt aus seiner Hand.

»Singet ihm das Hohelied der Liebe!«

Heute ist Karfreitag; der höchste Feiertag des Jahres.

»Kommt feiern wir, und singt mit mir!«

Musik, die voller Würde den Karfreitag feiert, klingt von ferne aus dem Gral.

»Dort, auf der Aue, Parsifal!«

Kennst du den jungen Mann, der an der heil’gen Quelle Helm und Schwert beiseite legt?

Dem Gekreuzigten gewidmet: Charfreitagszauber aus dem dritten Akt des Parsifal. Die Szene, kurz umrissen:

Der alte Einsiedler Gurnemanz erkennt in dem gereiften Manne, der ihm in tiefster Waldeinsamkeit begegnet, den Jüngling Parsifal wieder. Viele Jahre sind seit ihrer ersten Begegnung vergangen; doch nun, da die Vorsehung Gurnemanz, den ehemaligen Hüter des Gralstempels, und Parsifal wiedervereint, salbt er dem Jüngeren liebevoll das Haupt. Parsifal, durch Entsagung und Verzicht geläutert, ist jetzt bereit, den Richtigen zu helfen. Selbstlos wird er dem König die Erlösung bringen. Doch was bleibt ihm, der alle Leidenschaften überwunden hat? Die reine Christusliebe, die nichts vom Nächsten fordert, aus tiefstem Herzen strömt, und zu den Herzen geht.

Hören wir die Karfreitagsszene aus Richard Wagners Bühnenweihfestspiel Parsifal in einer historischen Aufnahme aus dem Jahr 1926 aus Bayreuth, mit Richard Wagners Sohn Siegfried als Dirigent (Quelle: Montsalvat).

Da dies eine Orchesterfassung ist, habe ich als Hilfestellung zum Mitsingen den Gesangspart eingesungen, und den zugehörigen Notenpart zum Mitverfolgen daruntergesetzt (bis zum Ende der ersten Hälfte der dargestellten Szene).

»Singen ist Freude! Und gebt nicht so schnell auf. Wagner ist nicht so einfach. Doch wer sich die Wagnersche Musik gewinnt, hat etwas für die Ewigkeit.«

parsifalvocal.js

Und wer fleißig geübt hat – und sich seiner Sache einigermaßen sicher ist, der wage es: hier ist die Orchesterfassung, ganz ohne Gesang. »Schließ’ die Augen. Atme tief aus und entspanne dich. Versetze dich in Parsifal und seine Aufgabe hinein.«

»Sei Parsifal! Und singe, Gott zu Ehren.«

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Bei solcher Musik lässt sich der liebe Gott nicht zweimal bitten – der Frühlingsgarten lässt nicht länger auf sich warten. Erschlossen liegt er nun vor unsren Augen. Kaum zu glauben, aber wahr – euer Singen hat ein Lächeln auf das Antlitz des Gekreuzigten gezaubert . . .

Mit gedrückter Maustaste könnt ihr auf Erkundung gehen…

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• Wer hat Angst vor Virginia Woolf? • - mein17424. Tag


o hatte es, auf englisch natürlich, irgendjemand mit einem Stück Seife auf den Spiegel einer New Yorker Bar geschrieben. Das war mitten in den wilden 50er-Jahren, Graffitis, Petticoats und Rock’n’Roll kamen in Mode, und Edward Albee, der sich im New Yorker Künstlerviertel Greenwich Village mit allerlei Gelegenheitsjobs über Wasser hielt, trank just an jenem Abend in besagter Bar ein Bier. Das Seifengraffiti, das er im Spiegel nächtens las, ging ihm nicht mehr aus dem Kopf. Doch warum es ihm begegnet war, wurde ihm erst Jahre später bewusst. Er hatte ein Theaterstück geschrieben, für das er einen Titel benötigte. Er dachte an den Songtitel „Who’s Afraid of the Big, Bad Wolf?” aus dem Disney-Film „Three Little Pigs” (1933), doch bekam er keine Genehmigung.

»Was tun? – Das Seifengraffiti! Die Rettung in der Not . . .«

Immerhin klang „Woolf” genauso wie „Wolf”, und wer konnte es schon wissen, vielleicht verhalf ihm der bekannte Name gar zu einem Popularitätsschub. Und so ging im Jahr 1962 ein Theaterstück mit dem Titel „Who’s afraid of Virginia Woolf?” über die Bühne. Es wurde Edward Albees Erstlingserfolg, und zugleich sein internationaler Durchbruch als Theaterschriftsteller; darüberhinaus provozierte sein Stück einen der großen Skandale der Theatergeschichte.

Und das alles wegen einem Stückchen Seife? Nein, nein, Seifenkomödien mit bitterem Beigeschmack gibt es ja schon sehr viel länger, doch so erbarmungslos wie Albee hatte noch kein Dramatiker zuvor dem Publikum den Spiegel ins Gesicht gehalten. Mit kühl distanziertem Blick entlarvte er die trügerische Fassade der amerikanischen Upperclass – dessen ureigenstes Kind er als Adoptivzögling eines steinreichen Theaterunternehmers war.

Zum Titel äußerte sich Albee einmal folgendermaßen: „Natürlich bedeutet »Who’s afraid of Virginia Woolf?« – »Who’s afraid of the big bad wolf?«: Wer hat Angst, ein Leben ohne falsche Illusionen zu leben. Und es erschien mir wie ein typischer, intellektueller Collegewitz.”

Kein Wunder, dass es zwei Professoren samt ihren Gattinnen sind, die zu nächtlicher Stunde, mit vom Alkohol entblößter Zunge, ihre zerrütteten Ehen demontieren, bis zum bitteren Ende.

Virginia Woolf suchen wir übrigens in Albees Theaterstück vergeblich. Und doch ist es aufschlussreich, dass sie als Namensgeberin Pate stand, entschlossen und aufrecht, wie einst Jeanne d’Arc, denn sie lebte ihr Leben ohne falsche Illusionen. Immer mehr drängt ihre Bedeutung als Schriftstellerin ins Bewusstsein der Menschen, doch wenige wissen, wie die unerbittliche Suche nach dem rechten Wort ihren Lebensalltag bestimmte:

„How can we combine the old words in new orders so that they survive, so that they create beauty, so that they tell the truth?”

Diese Fragestellung peinigte und marterte sie zu jeder Stunde — doch die Gewissenhaftigkeit, mit der sie zu Werke ging, nahm mit den Jahren noch zu. Berufen war sie, ihrem Genius etwas noch nie Dagewesenes abzuringen, und so diente sie ihm demütig bis zur letzten, erschütternden Konsequenz. Was macht indess ihr schriftstellerisches Werk so außergewöhnlich?

Es macht den „Bewusstseinsstrom unserer Gedanken” in vollendeter Weise sichtbar. In einem ihrer über eintausend Essays schildert sie die Wesensmerkmale dieses nie enden wollenden Bewusstseinsstroms:

„Look within and life, it seems, is very far from being »like this«. Examine for a moment an ordinary mind on an ordinary day. The mind receives a myriad impressions — trivial, fantastic, evanescent, or engraved with the sharpness of steel. From all sides they come, an incessant shower of innumerable atoms . .  Life is not a series of gig lamps symmetrically arranged; life is a luminous halo, a semi-transparent envelope surrounding us from the beginning of consciousness to the end. Is it not the task of the novelist to convey this varying, this unknown and uncircumscribed spirit, whatever aberration or complexity it may display, with as little mixture of the alien and external as possible?”

Elastizität des Geistes bedingt einen elastischen Körper.
„Geist überwindet Materie”, so nennt sich bezeichnenderweise diese Yogaübung.

„Schaue nach innen, so erscheint uns das Leben ganz anders, als wir es für gewöhnlich wahrnehmen. Studiere nur für einen Augenblick ein gewöhnliches Bewusstsein an einem gewöhnlichen Tag. Empfängt es nicht Myriaden von Eindrücken — triviale, fantastische, flüchtige, oder welche, die sich einprägen wie von einem scharfen Stahl gestochen? Sie strömen von allen Seiten auf uns ein, ein unaufhörlicher Schauer unzähliger Atome . . . Leben ist nicht eine symmetrisch angeordnete Reihe von Einspännerlampen; Leben ist ein strahlender Lichtschein, eine durchscheinende Hülle, die uns umgibt, solange wir ein Bewusstsein tragen. Ist es nicht die Aufgabe des Romanschriftstellers, diesen stets changierenden, diesen unbekannten und nicht fassbaren Geist, so zerstreut oder vielschichtig er sich auch zeigen mag, mit möglichst wenig Zutaten an Fremdem und Äußerlichem zu vermitteln?”

Sie hat es getan, unermüdlich, in höchster Konzentration und Verdichtung des Geistes. Wie schwierig diese Aufgabe ist, mag der erahnen, der nur einmal versucht, eine Minute lang wach und konzentriert jeglichem Gedanken, der durch unser Bewusstsein strömt, zu folgen, und ihn hernach penibel zu protokollieren – auf Papier, versteht sich. Da gerät man leicht ins Schwitzen.

Doch was Virginia Woolf zu höchster Meisterschaft gebracht hat, das soll auch uns zum Ansporn dienen. Denn wie es unserer Natur entspricht, sind wir als geistige Wesen hier auf der Erde um zu lernen, bewusst mit unseren Gedanken umzugehen; sie zu steuern und zu lenken. Das sollten wir bedenken: die Lebensenergie, die uns erhält und ständig erneuert, verdanken wir letztendlich nur der unfassbaren Konzentrationsfähigkeit unseres Schöpfers. Und da wir göttlichen Ursprungs sind, ist diese Fähigkeit zur Konzentration in jedem Menschen angelegt.

Diese Konzentrationsfähigkeit zu entwickeln, ist unabdingbare Voraussetzung, um höheren geistigen Aufgaben gewachsen zu sein. Sie zu üben, dafür ist unsere Erde geplant und erschaffen worden. Wir gehen die Lebensstufen aufwärts, vom unbewussten Sich-treiben-lassen auf den Wogen unserer Gedanken, über das wache Begleiten des fließenden Bewusstseinsstroms, bis hin zur Beherrschung unserer Gedanken durch Wunschkraft und geistiger Ausrichtung auf ein konkretes Lebensziel hin. Zielgerichtetheit ist ein entscheidendes Merkmal jeglicher positiver Entwicklung und Entfaltung. Und auf ein sinnvolles Lebensziel wirklich wach und bewusst zuzuschreiten, das benennen wir gerne mit der fernöstlichen Lebensweisheit: „Der Weg ist das Ziel”.

Übung macht den Meister. So war das immer schon. Eine Anekdote aus dem ZEN-Buddhismus erzählt von einem Schüler, der nach sieben Jahren des Meditierens – an einem regnerischen Tag – erwartungsfroh seinen Meister aufsucht, um ihn zu fragen, ob er jetzt erleuchtet sei. Der Meister lächelt, und stellt den Lehrling auf die Probe: „Wie herum hast du deinen Regenschirm abgestellt, und auf welcher Seite der Tür?” – irritiert hält der Schüler inne, und antwortet verlegen: „Aber Meister, versteht doch, mein Herz war voller Verlangen, Euch zu sprechen . . . ” – der Meister schickt den Schüler zur Tür hinaus, nicht ohne ihm einen Ratschlag mit auf den Weg zu geben: „Gehe nach Hause und meditiere weitere sieben Jahre, und dann komme erneut!” Ob es an jenem Tag wohl wieder regnen wird?

Ist es verwunderlich, dass die Buchstaben des ZEN in dem Begriff KonZENtration zen-triert sind? Doch keine Bange, wir müssen nun nicht alle gleich zu ZEN-Mönchen werden. Konzentration heißt eigentlich nichts anderes, als für das Hier und Jetzt wach zu werden, und es vollkommen bewusst zu erleben. Unbewusstheit und Tagtraum sind identisch. Angst und Sorgen – was wird morgen, böse Schwestern – was war gestern: das alles gehört zur Tagträumerei und spielt sich in der virtuellen Zukunft oder in der Vergangenheit ab. Und unser Leben? Dem begegnen wir nur und ausschließlich in der Gegenwart, im Hier und Jetzt. Und so begegnen wir im Schüler, der seinen Regenschirm unbedacht in irgendeine Ecke stellt, und mit den Gedanken längst beim Meister ist („was wird er sagen?”), unversehens uns selbst. Ach ja, der liebe Alltag! Hier wartet auf uns die beste Konzentrationsschulung, die es gibt. Und kostenlos ist sie noch dazu.

An den kleinen Aufgaben des Alltags erkennen wir am deutlichsten, wie uns der Tagtraum gefangen hält. Einige Beispiele, die mir in ähnlicher Form immer wieder mal passieren:

So lernt man Konzentration. Doppelte Handgriffe, kleine Missgeschicke, Bücklinge, wenn etwas hinunterfällt. Es lohnt sich, einmal zu zählen, wieviele solcher Irritationen wir in der ersten Morgenstunde nach dem Aufstehen erleben. Noch besser ist es, wenn wir dies einige Tage lang tun, und uns bemühen, die Anzahl mehr und mehr zu reduzieren, bis wir die magische „Null” erreicht haben. Glückwunsch! Dann sind wir aufgewacht. Willkommen in der Gegenwart. Das wahre Leben heißt mit einem Lächeln uns willkommen.

Wir lassen uns nun hoffentlich nicht mehr wahllos dahintreiben, vom trägen Bewusstseinsstrom unserer Gedanken, oder? Lebendige Fische schwimmen stromaufwärts, und das stärkt sie ungemein.

Hat jetzt noch irgendjemand Angst vor Virginia Woolf? Nein, wirklich, wir brauchen uns vor Virginia nicht zu fürchten. Und wenn schon, dann darf’s Ehrfurcht sein. Die tut uns allen gut. Hingegen alle Ängste, die uns im Tagtraum binden, weichen der Liebe und dem Licht . . . . . wo Virginias Feder spricht . . .

Empfehlung für Menschen mit wenig Zeit zum Lesen, aber mit viel Sehnsucht nach Muse im Herzen: „Das Mal an der Wand: Gesammelte Kurzprosa”, erschienen im Fischer-Verlag, ISBN: 978-3-10-092551-0.
Vorsicht, Suchtgefahr!




Quellenkunde III - mein 17396. Tag


ei, was für ein schöner Winter! Kinder, Kinder! Die Schneeflocken tanzen um die Wette, und keiner hat sie je gezählt. Oder doch? Aber ja, natürlich! Auch wenn wir nicht wissen, ob mehr Sterne am Firmament aufgereiht oder Schneeflocken am Boden aufeinandergeschichtet sind, so ist doch jedes Haar auf unserem Kopf gezählt, fein säuberlich im großen Weltencode geordnet, und wie viele heute ausfallen mögen, und ob sie nachwachsen werden oder nicht —— Gott Lob! Das braucht uns nicht zu kümmern. Wozu uns sorgen, wenn ER da ist, der für alles sorgt? Auch unsere bronzene Najade muss nun nicht mehr ganz so frieren; mit modischer Mütze und farblich abgestimmtem Schal lässt es sich wohl bis zum nächsten Frühling aushalten.

Selbst bei klirrender Kälte harrt die Nymphe an ihrer Quelle aus. Ein symbolischer „Jungbrunnen” vor dem Eingang der Bad Liebenzeller Paracelsustherme.

Und doch, ihr Blick bleibt nachdenklich, und in sich gekehrt. Eine gewisse Zurückhaltung ist ihr eigen, eine Art natürliche Scham verhüllt ihre Blöße. Ob man sie, den guten Geist der Quelle, für Jahrhunderte in den felsigen Klüften verborgen, um ihr Einvernehmen gefragt hat, als man sie aufspürte, um ihre anmutige Gestalt in eine starre Form zu gießen?

Sie hat es längst verziehen (denn sie ist eine gute Najade), und erfreut uns nun, zu Erz geworden, mit lieblichen Konturen. Und überdies lädt sie uns ein, in die heilenden Quellen einzutauchen, denen sie entsprungen ist.

Allein in Deutschland gibt es mehr als zweihundert Heilbäder, und jedes von ihnen hat charakteristische Wassereigenschaften und dementsprechend auch spezifische Heilwirkungen. Ob Sie in die eher kühlen Fluten eines Mineralbads eintauchen, oder lieber in die warmen Quellen eines Thermalbads: Jungbrunnen sind sie allemal. Während Mineralbäder eher ernährend wirken, sind Thermalwässer darauf spezialisiert, den Körper von Schlacken und Ablagerungen zu befreien. Oftmals finden wir im Bereich von Thermalwasservorkommen eine erhöhte Radioaktivität, die durch sämtliche Körperzellen hindurchschießt, und unerwünschte Ablagerungen regelrecht „bombardiert”. Doch keine Panik, das sind gute Strahlen! Das sieht man an den heiteren Gesichtern schmerzgeplagter Arthritispatienten, die nach einem Thermalbad erleichtert aufseufzen.

Erinnern wir uns an den guten alten Händel! Ja, den Musikus, den Georg Friedrich; Zeitgenosse und Gegenpol von Johann Sebastian Bach; beide im selben, berühmten Geburtsjahr 1685 geboren – mit seiner imposanten Leibesfülle muss Händel eine wahrhaft majestätische Erscheinung gewesen sein, doch plagten ihn Gichtschmerzen und Depressionen – eine unmittelbare Folge der Schmerzen. Ja, die Übersäuerung! Zuviel Arbeit, zuviel Essen, zuviel Händel —— damals schon wie heute. Großer Mann, was nun? Weltberühmt, und doch nicht glücklich. Doch der geniale Komponist wusste sich zu helfen — er erinnerte sich seines Heimatlandes, und reiste 1737 zur Badekur nach Aachen. Händel soll sich in die heißen Schwefelquellen gestürzt, und sich gegen alles gute Zureden der Badeärzte geweigert haben, das Wasser nach der verordneten Badedauer wieder zu verlassen. Erst nach sage und schreibe sieben Stunden entstieg er, wie er es empfand, als geheilter und neugeborener Mensch dem Thermalwasser. Das sei zur Nachahmung im übrigen nicht empfohlen – nicht jeder hat eine solche Rossnatur wie Händel.

„Gerettet! Heil! Hallelujah!” Nach London zurückgekehrt, verlieh der Komponist seinem Jubel Ausdruck in dem Werk, das bis heute als Inbegriff der Dankbarkeit und der Lobpreisung gilt: dem „Messias”, der sich die Herzen der Nationen im Sturm eroberte. Beim „Hallelujah” erheben sie sich, nicht nur die Herzen, nein, alle Hörer stehen auf! In London, es war im Jahr 1742, erhob sich König Georg der Zweite von England als Erster. Wo diese Hallelujahrufe ertönen, verwandelt sich der Konzertsaal in einen Tempel Gottes. Hier wird Musik zum heilenden Gebet.
 
hallelujah.js

(Ausschnitt aus einer Audioaufnahme, die unter einer Creative-Commons-Lizenz in der Wikipedia veröffentlicht wurde; für das Hintergrundbild gilt dasselbe)

Empfehlung zum Nachlesen oder Nachhören: „Georg Friedrich Händels Auferstehung”, 14 historische Miniaturen aus dem Werk „Sternstunden der Menschheit”, von Stefan Zweig)