Jahreswechsel - mein 17362. Tag


till ruht der See. In ihm spiegelt sich alles, was über ihm aufragt. Wie oben, so unten – und so auch hier. Wir sehen, was sich an der Oberfläche des Sees zeigt. Doch den Grund, den tiefen – wer würde sich anmaßen, ihn zu schauen?

So wird es uns verständlich, warum es nicht so einfach ist, bis auf den Grund der Seele zu schauen. Die Seele ist dem See entnommen — so glaubten es unsere Vorfahren, und kleinen Kindern erzählt man heute noch, dass sie der Storch aus dem Teich hinter der Kirche herausgefischt und durch die Luft zu uns ins traute Heim geflogen hat.

Die Seele ist – - ein großes Rätsel. Wo kommt sie her, wo geht sie hin? Und überhaupt, was ist ihr Sinn? Mit unserem Verstand allein sind wir, ob schon geboren, doch verloren. Wir müssen lernen, ihn zu spüren und zu fühlen, den Urgrund unseres Seins.

Heute ging ich hinunter ins Städtchen, um mich mit den notwendigen Dingen bis zum Wochenende zu versorgen. Beim Gemüse- und Obsthändler herrschte Andrang kurz vor Ladenschluß. »Schau, welche Überraschung!« Ein bekanntes, liebes Gesicht. Eine Frau, die Freude und tiefe Dankbarkeit ausstrahlt. Wir gingen einmal ein Stück Weges gemeinsam den Wald entlang, und sie erzählte mir von den Schicksalsschlägen, die sie gemeistert hatte – ein schwerer Unfall, der sie eigentlich zum Krüppel hätte werden lassen – wenn sie nicht tapfer und im Vertrauen auf Gott an sich und ihrem Körper gearbeitet hätte. Dankbarkeit? Ja! Wenn ich sie so vor mir stehen sehe, gerade und aufrecht, und ihre Augen strahlen vor Glück, dann verstehe ich, was es bedeutet: neu geboren zu sein; im Wissen darum, welch großartiges Geschenk es ist, am Leben zu sein, gesund und munter auf beiden Beinen zu stehen, hin und her zu gehen, und mit allen Sinnen die Schönheit der Welt zu erkunden. Sie schüttelte mir lange die Hände, wünschte mir Gottes Segen, bedankte sich für das Gespräch, das wir damals geführt hatten, und sagte mir zuletzt mit einem Augenzwinkern: »Sie wissen ja, ohne den Heiligen Geist geht gar nichts!«

Wie recht hat sie! Die Gute hat es auf den Punkt gebracht. ER ist es, der uns führt. ER ist es, den man spürt. ER spricht zu uns, und wir – wir nennen seine Worte unsre innere Stimme; kurz – unsre Intuition. Hören wir auf sie, so wird uns Lohn. Und wer nicht hören will, muss fühlen. Eigentlich ganz einfach, oder?

Dankbarkeit steht uns gut zu Gesicht, nicht nur am letzten Tag eines zurückliegenden Jahres. Guten Menschen ist es ein Herzensbedürfnis, und zeigen kann man Dankbarkeit auf die unterschiedlichste Art und Weise. In Schiltach, dem kleinen Schwarzwaldstädtchen, in dem ich groß geworden bin, gibt es eine jahrhundertealte Tradition, den Silvesterzug. Wie gerne denke ich daran zurück! Schon am Vormittag ging es hinunter in den Keller, um die alten Öl- und Kerzenleuchten der Großeltern – aus Holz und Blech, mit verrußten und hauchdünnen Glasscheiben an den Seitenwänden – hervorzuholen, abzustauben, und instand zu setzen.

Dann, Punkt 20:00 Uhr, in tiefster Dunkelheit, war es soweit. Hunderte von Menschen versammelten sich vor dem Pfarrhaus, von dessen Fenstern Kerzen hell erstrahlten; nachdem der Pfarrer seine Ansprache beendet hatte, zogen alle Teilnehmer schweigend durch die Straßen bis zum Marktplatz. Jegliche elektrische Beleuchtung war rechtzeitig abgeschaltet worden, und nur einige hoch auflodernde Pechfackeln stießen ihre Funkenglut gen Himmel. Sie tauchten die mittelalterlichen Fachwerkgassen in ein schauerliches Licht- und Schattenspiel. Vor dem Rathaus angekommen, wurden die Leuchten entzündet, und ein heller, lichter Schein spielte auf den Gesichtern derer, die sie in der Hand hielten. Gesichter, vom Leben gezeichnet – und die flackernden Kerzenflammen gruben die Falten den Menschen noch tiefer in die Stirn, als sie tatsächlich, bei Tageslicht besehen, waren. Dann plötzlich wurde, von unsichtbarer Hand geführt, das Schweigen unterbrochen, und es erklang ein Choral in die Stille hinein . . .

Nun_danket_alle.js

Majestätisch und erhaben, feierlich und getragen verklangen die letzten Töne. Mir war es ganz warm ums Herz geworden, und ich fühlte mich an der Hand des Vaters unendlich geborgen. Es war ein Gefühl, als ob mir nie etwas Leidvolles geschehen könnte. Zu guter Letzt kam noch der Bürgermeister zu Wort, und dann wünschte man sich Gottes Segen, und alles Gute für das neue Jahr. So gingen wir nachdenklich und schweigend nach Hause; schon längst im Schlaf versunken, vernahmen wir aus weiter Ferne den Ruf des Nachtwächters:

„Wohlauf im Namen Jesu Christ,
das alte Jahr vergangen ist,
ein neues Jahr vorhanden ist.
Ich wünsch’ euch ein glückselig’ Jahr,
und was ich wünsche, werde wahr,
ewger Friede immerdar,
Lobet Gott den Herrn!”

Still ruht der See. Leise rieselt der Schnee. Er ist rar geworden, in unseren Breitengraden. Schneeweiß sind sie, die Schneeflocken, weil ihre Kristalle alle Farben des Lichts in sich tragen. Und manchmal, in den kostbarsten Momenten des Glücks, zerlegen die Strahlen der im Winter tiefstehende Sonne das Weiß der Kristalle in die schillernde Palette des gesamten Farbspektrums. So bunt, vielfältig, und farbenfroh werde unsre Seele! Das wünsch’ ich euch und Ihnen, verehrte Leserinnen und Leser, von ganzem Herzen.




Jesus ist zurückgekommen - Weihnachten 2009


Jesusback.js



• Nachhilfe • - mein 17352. Tag


ibt es dumme Schüler? Nein, das kann ich mir beim besten Willen nicht vorstellen. Mir ist in den vielen Jahren des Unterrichtens noch kein einziger begegnet. Aber es gibt ungeduldige Lehrer, und solche, die ihre Schüler überfordern — weil sie sich nicht genügend in den Schüler hineinzuversetzen vermögen.

Ob ein Schüler raschere oder langsamere Fortschritte macht, ob er eine schnellere Auffassungsgabe hat, oder eher zur Begriffsstutzigkeit neigt — das alles macht nicht seinen innewohnenden Wert aus, und wird dem unbeschränkten Potenzial, das er – einem ungeschliffenen Diamanten gleich – in seiner Seele trägt, beileibe nicht gerecht. Wollten wir ein Kind nach seiner Körpergröße messen? Einen Sportler nach seinen langen Beinen? Einen Zug nach seiner Geschwindigkeit? Das einzig wichtige ist, dass der Zug sein Ziel erreicht, sicher, ohne Entgleisung, und ohne falsche Weichenstellung. Und die Geschwindigkeit, mit der unser Lebenszug vorankommt, sollten wir selber frei bestimmen dürfen. Erst dann fühlen wir uns wohl und machen uns nicht unnötigen Druck.

Für begriffsstutzige Schüler gibt es besondere Unterrichtsformen. Sie sind, im Gegensatz zum kostenlosen Unterricht an allgemeinbildenden Schulen, kostenpflichtig. Nein, ich meine nicht das Nachsitzen nach der sechsten Stunde, sondern den Nachhilfeunterricht, wie ihn qualifizierte Lehrkräfte gegen eine entsprechende Gebühr erteilen. Ich habe mich für diese Form des Unterrichts entschieden; doch nicht als Lehrer, nein, vielmehr als begeisterter Schüler. Das Besondere an meinem Nachhilfeunterricht: es gibt keine festen Zeiten, und auch keine festen Räumlichkeiten. Deshalb ist es durchaus angebracht, für diese außergewöhnliche Unterrichtsform den Begriff der Tagesschule zu verwenden. Schließlich begleitet mich mein Lehrer den ganzen Tag. Und das Beste: Die Gebühr bestimme ich!

Den richtigen Umgang mit Energie lernen: die Tagesschule ist im Grunde unbezahlbar.

Gestern bezahlte ich 3,80 €, zögerlich zuerst, und mit zusammengebissenen Zähnen. Und das kam so . . .

Tagesschule vom vergangenen Donnerstag:

Zwischenbilanz:

  1. Die Nachlösefahrkarte und das überflüssige Telefonat ergeben aufsummiert die stolze Summe von 3,80 €. Auf einen Monat gerechnet sind das runde 120 Euro. Genug Geld – und Geld ist eine Form von Lebensenergie – um sich darüber Gedanken zu machen, wieso einem solch ein Betrag wie Sand durch die Hände rinnt.
  2. Ich liebe Blumen. Das weiss mein Nachhilfelehrer nur zu gut, denn er kennt mich; viel besser als ich jemals selbst mich kennen werde. Deshalb spricht er „durch die Blume” zu mir; bilderreich und assoziativ.
    • Zu spät! – der Zug ist abgefahren.
    • Zu spät! – der Bus ist weg.
    • Zu spät! – der Unterricht ist gelaufen.

    Alles klar? Seit Jahren weiss ich es, es geht um Anspannung und Druck, um selbstgemachten Stress und Überlastung.

    • Zu spät! – in den Feierabend.
    • Zu spät! – ins Bett.
    • Zu spät! – ins erholsame Wochenende.

    Wer zwingt mich denn zu Überstunden?

  3. Es dauert einfach seine Zeit, bis man sich mutig mehr und mehr von alten, eingefahrenen Denkmustern befreit. Mich mit anderen vergleichen? Konkurrieren? Besser sein wollen? Anerkennung und Erfolg, um jeden Preis? Über Bord damit! Ich bin
    es schließlich wert, dass ich gut zu mir selbst sein darf. Zeit heilt Wunden, sagt man. Heile, heile, Segen!

Hach, wie schön ist es,
entspannt und scherzend,
auch mein Nacken ist nicht schmerzend,
federnd durch den Tag zu gehen!

Am darauffolgenden Tag musste ich noch einmal dieselbe Zugstrecke fahren. Anscheinend hat sich an meiner inneren Einstellung etwas zum Guten gewendet. Der Aufzug fährt ohne Zwischenstopps durch, die Ampelanlage steht auf Grün. Alles klappt wie am Schnürchen. Was ich zu tun habe, geht gut. Mein Tagesthema heute: „MUT”. Zuletzt steht noch ein Einkauf an, beim Sizilianer in einem weißgekalkten, ehemaligen Weinkeller. Ein bißchen wie in Palermo, wie in den engen, quirligen Gassen der Altstadt.

»Ciao, come stai?« ruft er mir schon von weitem zu; mit seinen dunkeln, feurigen Augen schaut er vom Gabelstapler herunter. Gekonnt hievt er eine Palette mit saftigen Orangen hoch. »Abbastanza bene!« antworte ich, der übliche Spruch. Was hat er mir nicht alles schon geschenkt! Obst und Gemüse, was das Herz begehrt. Und die hochempfindlichen Khakis, die ich nie und nimmer heil nach Hause hätte bringen können, fuhr er mir bis an die Treppe, und machte mir noch einen Sonderpreis dazu.

Ich kaufe ein, und bezahle. 33,80 Euro. Als ich vollbepackt Richtung Bahnhof marschiere, kommen Zweifel in mir auf. Und immer ungutere Gefühle. 33,80 Euro! In Gedanken gehe ich die einzelnen Posten des Einkaufs noch einmal durch. Ich schaue normalerweise nicht auf die Preisschilder, weil ich so deutlicher spüren kann, was mein Körper wirklich haben möchte. Und ausserdem habe ich schon so oft eingekauft, dass ich über ein gutes Preisgefühl verfüge. 33,80 Euro! Das kann nicht sein. Ich komme, wenn ich großzügig rechne, auf maximal 25 Euro.

Ich lege alles, was ich eingekauft habe, vor mir auf den Schnee. Rechne drei, viermal zusammen. 22 €, 24 €, 25 €. Mehr kommt einfach nicht zusammen. Ich spüre überdeutlich, dass ich zurück muss. Oh Gott! Da hat man sich fröhlich verabschiedet, und allen ein schönes Weihnachtsfest gewünscht. »Arrivederci, auf Wiedersehen im neuen Jahr!« Meine Beine werden zu Blei. Mit gesenktem Haupt schleiche ich zurück. Was sage ich? Werde ich stottern und herumjapsen?

Der Capo macht große Augen, als er mich zurückkommen sieht. »Chef, da kann irgendwas nicht stimmen!« Er schickt mich gleich zu seiner Frau. Sie zuckt mit den Schultern, und fährt mit dem Finger den meterlangen Kassenbon ab, auf dem der komplette Tag eingetippt ist. »Vedi! Ecco i Litschi, 11 Euro!« Da wird mir alles klar. Eine Hosentasche voll Litschis, das Kilogramm für 28 Euro. Das sprengt bei weitem meinen Haushaltsetat. »Wenn ich das gewusst hätte – kann ich das rückgängig machen?« Nach einigem Hin und Her einigen wir uns darauf, dass ich eine Handvoll Litschis behalte, und bekomme dafür im Gegenzug acht Euro zurück. Ich strahle vor Glück. Sie entschuldigt sich tausendmal. »Non c’è un problema. Buona festa, e arrivederci.« Ich gehe wieder Richtung Bahnhof. Nein, ich schwebe. Eine unglaubliche Energie durchströmt mich. MUT tut unendlich gut. Reichlich spät, doch glücklich und aufgeladen komme ich nach Hause.

MUT ist das, was wir am dringendsten benötigen, um das zu ändern, was nun mal schwer zu ändern ist: uns selbst.

Mit Nachhilfe von „oben” geht’s bedeutend leichter.

Da muss man doch einmal den Lehrer loben.
Wo der wohl wohnt?
Ein Blick nach droben.
Lacht da ein Augenzwinkern mir zurück?
Ei Tagesschule, bring mir Glück!




• Freude essen! • - mein 17346. Tag


chon länger schwebte es mir vor, euch mit meiner Lieblingsfrucht bekannt zu machen; ein in unseren Breitengraden bis dato eher unbekanntes Wesen, obwohl es eine wahre Götterfrucht ist. Cherimoya heißt das Kind, und wird auch Rahm- oder Zuckerapfel genannt. Hier ist sie!

Herzig, diese Frucht, nicht wahr? Ihr Geschmack erinnert an Zitronen-Vanille-Eis.

Guten Zucker braucht der Mensch, und das reichlich. Der größte Verbraucher ist unser Gehirn, und je stärker wir es beanspruchen, desto größer wird unser Verlangen nach Zucker. Doch Zucker ist bei weitem nicht gleich Zucker. Cherimoyas liefern Zuckerqualität vom Feinsten — dagegen sieht Weißzucker, wie er in Süßigkeiten und Gebäck Verwendung findet, ganz schön blass aus. Ein gemeiner Räuber ist es, denn er stiehlt dem Körper Vitamine, Mineral-stoffe und Spurenelemente, weil er selber davon nichts besitzt. Ein Dieb! Haltet ihn! Diebe gehören hinter Schloß und Riegel, doch gewiss nicht in unseren Körper.

Cherimoyas hingegen sind selbstlos und hilfsbereit. Sie geben alles hin, was sie nur haben, und machen uns glücklich dazu. Welch hohen Wert sie für unsere Gesundheit, Wachheit und Intelligenz besitzen, wurde mir buchstäblich „vor Augen geführt”, als ich heute morgen den Impuls bekam, in der Wikipedia unter dem Stichwort Cherimoya nachzuschlagen. Über dem Artikel thronte folgende Werbeeinblendung: »Ein geringer Preis für einen hohen Wert.« In der Tat. Die Preisspanne für eine Cherimoya reicht von 90 Cent bis eineinhalb Euro, doch eigentlich ist sie unbezahlbar.

Empfindlich sind sie, die sensiblen Früchte mit der Schuppenzeichnung auf der Haut, die man jetzt, während der Saison, in besseren Geschäften kaufen kann. Wer Glück hat, bekommt sie gar in biologischer Qualität! Ein Freudenfest, wenn sie nach einigen Tagen des Nachreifens auf Druck leicht nachgeben, und damit anzeigen, dass sie nun genießbar sind. Dann kommt der spannende Moment: ein scharfes Messer zerteilt die Frucht in zwei Hälften — und das zartweiße, aromatische Fruchtfleisch, das reizvoll mit den schwarzen Kernen kontrastiert, kommt zum Vorschein. Her mit dem Löffel! Am liebsten löffle ich das Fruchtfleisch direkt aus der Schale — ein Glück nur, dass man sich nicht sieht, wenn man die Augen dabei verdreht, vor lauter Hochgenuß und Freude!

Falls ich eine größere Menge Cherimoyas bekommen kann, so lasse ich sie zunächst ausreifen, und gebe sie dann, wie sie sind, in die Tiefkühltruhe. Vorfreude ist doch wahrlich die allerschönste Freude!

Dem Schöpfer erweisen wir unsere Dankbarkeit, wenn wir diese Früchte als seine ganz besondere Gabe annehmen und wertschätzen. Ein Leben in Ehrfurcht vor seinen Werken bringt Fülle und Segen. Wie neulich. Eine ganze Steige biologischer Cherimoyas, vollreif, ein Geschenk meiner Naturkosthändlerin!

Cherimoyas sind in Mittel- und Südamerika als Wildfrüchte heimisch. Haben die Hochkulturen der Mayas und Inkas von ihnen profitiert?

Womit hab’ ich das verdient? Der Einkauf mit dem Geschenk „aus dem Blauen” war abends, kurz nach 18:00 Uhr. Eine Belohnung für den Nachmittag? Da hatte ich meine Klavierschüler zu unterrichten.

Meine Aufgabe als Lehrer und Erzieher sehe ich darin, die natürliche Intelligenz des Kindes zu wecken. Und werden wir damit nicht alle zu Lehrern und Erziehern, sobald wir einem Menschen einen Sachverhalt erklären, so geringfügig er auch sei?

Eine Schülerin war jedenfalls besonders aufgeweckt an diesem Nachmittag. Sie war neugierig und wollte mehr wissen, wie das mit der Intelligenz denn wirklich funktioniert.

»Ja, weisst du,« — und ich berührte ihren Kopf sachte mit meiner Hand — »da drin ist dein Gehirn, und schaut aus wie ein kleiner Blumenkohl, der jeden Tag wächst, bis er aus Milliarden von winzigen Zellen besteht. Weisst du, was eine Milliarde ist? Und du hast, wenn du groß bist, viele Milliarden Gehirnzellen! Vielleicht so viele, wie die Sterne in unserer Milchstraße! Und alle sind miteinander verbunden.«»Wie das Telefon?« Ich bin verblüfft. »Ja! Stell dir vor, jeder Mensch auf der Erde wäre eine dieser Gehirnzellen. Jeder lebte für sich allein, weil er vom anderen noch nie etwas gehört hat, und gar nicht weiss, dass es ihn überhaupt gibt. Wie schön wäre es, wenn jeder ein Telefon hätte, um Freunde zu finden. Einfach anrufen, und sagen „Wie heißt du? Ich mag dich. Lass uns Freunde sein!” Dann käme wirklich Freude auf! Doch die Telefone müssen erst bestellt, gebaut und angeschlossen werden. Fang einfach damit an! Bestelle dir die Telefone samt den Leitungen. Das tust du, indem du fleissig übst und lernst; doch damit die bestellten Telefone auch gebaut und angeschlossen werden können, müssen zu deinem Fleiss noch die richtigen Bausteine hinzukommen. Und dein Gehirn ist ganz besonders anspruchsvoll und möchte nur die besten Bausteine haben . . .«

Cherimoyas haben sie, die besten Bausteine fürs Gehirn. Zusammen mit dem Eiweiß aus frischen Nüssen sind sie die beste Gehirnnahrung, die ich kenne. Eigentlich ein Pflichtprogramm für schulpflichtige Kinder. Denn Lernen kann man nur, wenn man wirklich wach ist. Und das gilt natürlich auch in besonderer Weise für die Seele.

Sputet euch! Die Cherimoyasaison geht bald zu Ende. Und lasst beim Einkauf mindestens eine übrig — für den, der nach euch kommt.

post scriptum: Schokolade macht glücklich, sagt man. Das macht der Kakao, der drinnen ist. Hier habe ich ein äußerst gesundes und leckeres Rezept für euch, nicht nur für die Naschkatzen am Heiligabend:

Yacao-Schoko-Dip
Alle Zutaten bekommt man im Naturkostladen
- Für eine Person nimmt man ungefähr -

Die Dattelkerne entfernen, alle Zutaten in den Mixer geben; mixen, bis es sämig ist, und dann zusammen mit einer voll ausgereiften Cherimoya servieren . . . Freude essen, ein Genuß! Ohne Reue, selbstverständlich.




• Dein Wunsch sei mir Befehl! • - mein 17340. Tag


st das wirklich nur so eine scherzhafte, umgangssprachliche Redensart, wie man gemeinhin annimmt? Kinder nehmen diese Redensart durchaus ganz wörtlich, denn sie glauben noch an das Christkind; und manches Kind, das schon in die Schule geht, schreibt ihm deshalb dieser Tage einen lieben, langen Brief mit tausend Wünschen.

Warum tut es das? Und warum tun wir Großen es nicht mehr? Sind unsere Erinnerungen bereits so stark verblasst? Haben wir nicht alle als Kind die Erfahrung gemacht, dass unsere Wünsche in Erfüllung gehen, wenn wir sie nur laut und deutlich genug artikulieren? Ein kleines Kind, das schreit, wird umgehend gestillt. Es schreit, weil ihm etwas fehlt. Es schreit, weil es friert, weil es Hunger oder Durst hat, weil es ihm zu laut, zu unruhig, oder zu hell ist. Ein kleines Kind kann seine Bedürfnisse noch nicht selber stillen. Und so ist es die Aufgabe der Großen, es an die Hand zu nehmen, und zu erspüren, welche Bedürfnisse es hat.

Die Adventszeit, die Zeit des Wünschens und Wartens . . .

Jedes Kind wird größer, und so bleibt es nicht aus, dass es seinen eigenen Willen entwickelt. Ihn erprobt es an der Welt — und erfährt beträchtlichen Widerstand. So muss es langsam, aber sicher die Erfahrung machen, dass die Bäume auf der Erde nicht in den Himmel wachsen — doch dem Himmel entgegenstrecken — ja, das darf, das soll, das muss es, wenn es glücklich werden möchte! Nicht jeder Wunsch geht in Erfüllung, und auch bei weitem nicht so schnell, wie’s Kinder nun mal gerne hätten. Da muss man sich mit seinem heiß und innig ersehnten Laufrad schon mal bis zum nächsten Geburtstag gedulden, und mit den Fingern zählt man am Adventskranz jede Kerze, die schon brennt; ist’s endlich Heilig Abend, so kann man’s kaum erwarten, bis es so weit ist —— hurra, Bescherung! Fröhlich klatschen Kinder in die Hände, und ihre Augen glänzen wie die silbernen Kugeln, die am festlich geschmückten Christbaum hin- und herschwanken, trunken vor all der Herrlichkeit und Pracht.

Ist diese Treppe, die sprichwörtlich „in den Himmel führt”, nicht ein schönes Symbol für das Höherstreben der Seele?

Dein Wunsch sei mir Befehl! Das ist der Ruf des Lebens, der in jedem von uns widerhallt.

So wie wir alle rufen,
so schallt es uns zurück.
Und führt uns, auf den Stufen,
hinauf zum Lebensglück.

Stufen steigen ist mühsam. Als Kinder hatten wir unsere Lieblingsplätze im Wald, wo wir unsere Baumhütten bauten. Einer dieser Plätze lag auf dem felsigen Schloßberg, und der Zugang war eine unglaublich steile und ausgetretene Sandsteintreppe, die sich Himmelsleiter nannte. Wollten wir dem Himmel näher kommen, so mussten wir also Stufe um Stufe erklimmen, schön vorsichtig und konzentriert. Zum Glück gab es auf einer Seite ein Eisengeländer, an dem man sich festhalten konnte. So ging alles gut, und wir kamen heil hinauf und auch wieder herunter.

Dein Wunsch sei mir Befehl! Wir sollten darauf vertrauen, dass es das Leben gut mit uns meint, und uns gern an die Hand nimmt, um uns den Weg zum Licht zu weisen — doch sind wir auch bereit, die Hand dem unsichtbaren Band entgegenzustrecken? Das Band ist immer für uns da, wie die Rettungsleine eines Schiffs. Es wartet nur darauf, dass wir es ergreifen.

Dein Wunsch sei mir Befehl! Wie glücklich können wir nun sein, wenn unsere Wünsche in Erfüllung gehen? Mein brennender Herzenswunsch ist momentan, mehr über das zu erfahren, was man das kleine ICH oder das kleine EGO nennt; warum? Weil ich immer deutlicher spüre, dass dieses „ich, ich, ich!” mich gefangen hält, und mich abhängig macht von Anerkennung, Lob, und Zuwendung durch andere. Es trennt mich von der Liebe, die ich schenken möchte. Es ist, als ob es immerfort auf alles, was ich tue, einen Schatten wirft, der das reine, helle Licht der wahren Liebe trübt.

Szenenwechsel. Dein Wunsch war mir Befehl! tönt es von „oben”. Da haben wir die Bescherung — und Heilig Abend ist’s noch lange nicht. Die Tagesschule lässt grüßen.

Tagesschule vom vergangenen Donnerstag, Chronologie der Ereignisse.

Rückblende, Zusammenfassung und Lernimpulse aus dieser Tagesschule:

  1. Was sind Positiv-Negativ-Prüfungen? Ich habe Ihnen mehrere „klassische” Positiv-Negativ-Prüfungen geschildert.
    • Das Schaltgetriebe, das sich in den Speichen festhakt.
    • Die Zugkontrolle am Morgen.
    • Der zerplatzte Eimer am Abend.

    Solche Positiv-Negativ-Prüfungen sind eine Art „Weichenstellung” für den Tag. Lassen wir uns die Freude am Leben durch derartige Mißgeschicke verderben? Seien Sie kein Spielverderber. Werden Sie eine positive Macht. Und Ihr Herze lacht. Wir können nur dann dauerhaft glücklich sein, wenn wir lernen, in allen Geschehnissen, so unangenehm sie auch zunächst sein mögen, das Positive, das Geschenk zu sehen. Positiv-Negativ-Prüfungen erleben wir häufig in den ersten zwei Stunden nach dem Erwachen; doch auch zu späterer Stunde, wenn unsere Seele es benötigt.

  2. Wir unterliegen in unserem Verhalten, und damit einhergehend, in unserer gesamten seelischen Entwicklung, dem Gesetz von Ursache und Wirkung, dem sogenannten Kausalprinzip. Durch jede von uns getroffene Entscheidung wird ein weiteres Glied an die Kausalkette angehängt. Beobachten wir die Ereignisse unserer Tagesschule, so können wir die Kausalkette zurückverfolgen; am leichtesten geht das, wenn wir bewußt und wach im Hier und Jetzt sind, und uns auf die kausalen Zusammenhänge mit dem Vortag beschränken.
    • Störungen, Ärger, Mißgeschicke, Niederlagen?
    • Belohnungen, Geschenke, freudvolle Gefühle, mehr Energie als gewöhnlich?

    Wir brauchen nur zu fragen. »Warum? Was ist der Grund? Was war gestern?« Wenn Sie sich den gestrigen Tag vergegenwärtigen, dann verstehen Sie besser, was heute in Ihrer Tagesschule läuft — und was Sie Ihnen sagen möchte.
     
    Einige Beispiele aus der geschilderten Tagesschule:

    • Der Auftakt der Mißgeschicke: Die Mütze, die meinen Kopf schön warm hält – und mir Geborgenheit gibt – wird von einem Zweig vom Kopf gefegt. Und gestern? Zwei Situationen kommen mir, wo ich bewußt gegen die Intuition meinen Kopf, meinen Willen durchgesetzt habe.
      Die Arbeit umgehend abbrechen, wenn es Zeit zum Essen ist? Fehlanzeige. Ich hätte diese Möglichkeit gehabt. Ich liess den Körper hungern, ihm mangelte Geborgenheit, und damit auch der Seele, denn die beiden gehen immer Hand in Hand. Die Sache mit der Mütze weist mich darauf hin.
    • Die zweite Situation vom Vortag schwor die schweren Mißgeschicke bis zum späten Abend herauf. Ich will, ich will, ich will! Ich wollte unbedingt einen Artikel fertigstellen, und es zog sich hin; ich war müde, das Konzentrieren wurde zur Qual, und ich musste noch vor Ladenschluss zum Einkaufen. Doch es fehlte nicht mehr viel. Alles in mir spannte sich an. Druck baute sich auf. Nicht umsonst sagt man umgangssprachlich »Das drücken wir noch durch!« Und so drückte ich die Sache durch. Mit flatternden Nerven. Wider besseren Wissens. Es war nur eine Viertelstunde. Doch sie schlug die Wunde, die, mit Salz und Essig bestreut, am darauffolgenden Tag mir höllisch brennen sollte.
      Der nächste Morgen: Druck, Druck, Druck, Anspannung, flatternde Nerven, alles, was schief gehen kann, geht daneben; in der Viertelstunde, bis der Zugkontrolleur mich zum Sitzen und Innehalten zwingt, spüre ich förmlich, wie mein Körper Stresshormone und Adrenalin ausschüttet, und von Säuren überschwemmt wird (umgangssprachlich: »Es war mal wieder alles Essig . . .«).
      Will ich das? Ist das Selbstliebe? NEIN. NEIN, und nochmals NEIN.
      Wunderbar. Damit hat die Tagesschule ihr Ziel erreicht. Sie führt uns die Konsequenzen unserer Entscheidungen vor Augen — in der Hoffnung, dass wir begreifen, dass sich Glücklicher zu werden mehr lohnt als Unglücklich zu bleiben. Die Tagesschule hilft uns, mehr und mehr uns selbst zu erkennen. Sie spiegelt unsere Entscheidungen des Vortags. Manchmal tut’s weh, oft ist es lustig, und immer sehr, sehr originell.

      Da war doch noch die Sache mit der Bierhefe? Die Krönung

      Mißgeschicke werden uns geschickt, damit wir ihre Botschaft lesen.

      des Tages. Bierhefe, ein Wundermittel für die Nerven. Doch kein Alibi und auch kein Freibrief, um sich und seine Nerven permanent zu überlasten. Peng! Da liegt der Eimer mit der Hefe im Schlamm. Bierhefe packt die Nerven in Watte. Meine liegen blank. Am Boden. Wie die Hefe, die jetzt den Waldboden düngt.

      »Ein Loch ist im Eimer, Karl-Otto, Karl-Otto /
      Dann stopf es, oh Henry, oh Henry /
      Womit denn, Karl-Otto, Karl-Otto . . .«
      so tönt die alte Leier. Zeit, etwas zu ändern.

Was ist die Rettung?
Die Rettung ist der positive Wunsch.

»Wie lange willst du denn noch mit dem Kopf durch jede Wand? Reichen dir die Schmerzen und Blessuren, die du dir in deinem Leben zugefügt hast, immer noch nicht aus?«

»Hmmmmmm . . .«

»Möchtest du glücklich sein? Möchtest du gut zu dir sein? Tut dir Geborgenheit gut?«

»Jaaaaaaaaa!«

»Dann schenk sie dir! Beginne bei dir selbst.«

So lassen wir sie heilen, unsre Wunden. Und lassen wir es ziehen, in Frieden, unser Ego, unser kleines ICH. Eines Tages brauchen wir’s nicht mehr, weil wir erkennen, dass wir’s wert sind, uns auszusöhnen mit uns selbst; und dann beginnen wir, als Licht zu strahlen, um das zu sein, was wir in Wahrheit sind: Gottes Kind.

post scriptum: Teilt die Erlebnisse eurer Tagesschule mit anderen! Berichtet davon im Forum. Gemeinsam lernen ist einfach effektiver, und wir alle haben dann mehr Freude . . .