Sehen, was läuft . . . - mein 17207. Tag


as läuft heute im Fernsehen? Darüber sind erstaunlich viele Menschen genauestens im Bilde.
Doch was läuft heute in meiner Tagesschule? Wie genau bin ich darüber im Bilde? Das entscheidet sich an meiner Wachheit und Bewußtheit, mit der ich durch den Tag gehe.

Ich erlebe eine Frau beim Einkaufen. Sie wird bedient, und muss nichts tun, als nur ihre Einkaufswünsche zu äußern. Ihre mitgebrachte Gemüsebox füllt sich rasch, und nun geht es an die eingelegten Köstlichkeiten an der Frischetheke. „Oliven?” – „Ja, von denen!” – „Gut so?” – „Ja, das sind genug.” Ihr Blick schweift zum Fenster hinaus. Sie bemerkt nicht, dass der Händler das Behältnis mit den Oliven noch mit einer Extraportion Olivenöl auffüllt, ohne es zu berechnen – natives Olivenöl ist eine kostspielige Sache – und damit Energie aus dem Blauen geschenkt bekommt, liebevollst weitergereicht, unbemerkt, unbedankt, schade! Tagträumerei ist eine Gefahr für die Seele, weil man zu wenig von dem mitbekommt, was um einen herum wirklich läuft.¹

Die seelische Schulung (Fachausdruck: Tagesschule), die wir den Tag über erleben, ist dazu gedacht, uns ideale Fortschritte in unserer persönlichen Entwicklung zu ermöglichen; sie vermittelt uns Denkanstöße und Lernimpulse, die uns letztendlich helfen sollen, bessere Entscheidungen zu treffen. Damit sind nicht unbedingt große, weltbewegende Entscheidungen gemeint, vielmehr die hunderten von kleinen, alltäglichen, unbedeutsam erscheinenden Situationen, die in der Summe unsere seelische Entwicklung jeden Tages bestimmen – je nachdem, wie wir in solch unscheinbaren Situationen entschieden haben.

Ein Beispiel soll das verdeutlichen: es ist spätabends, ich bin hundemüde, und von den Problemen bei der Arbeit frustriert. Meine Augen stöhnen noch immer von der Überanstrengung durch stundenlange Bildschirmsitzungen. Meine Gefühlslage ist alles andere als ausgeglichen. Ich will noch irgendetwas anderes sehen, erleben, spüren – etwas, was der Seele gut tut. Ein Buch mit Gedichten aufschlagen? Oder eines mit schönen Bildern?

Wie werde ich entscheiden? Die überstrapazierten Augen noch einmal arbeiten lassen? Bin ich bereit, danach zu fragen, was jetzt, in solch einer Situation, wirklich zu tun ist? Wenn ich frage, dann kommt auch umgehend die klare Antwort: „Geh’ schlafen, mein Kind, sofort und ohne Umschweife, dann werden wir dich und deine Augen reparieren!” Aha. Soso. Jetzt habe ich sie, die Antwort, und es ist die universelle Wahrheit für genau diese eine Situation. Und nun, was tun? Habe ich genügend Demut, um mich der Wahrheit zu beugen? Oder muss mich das Leben beugen, durch eine schlaflose Nacht beispielsweise, wie ich es häufig erlebe, wenn ich überwiegend mein großes Ego – mein kleines ich – durchzusetzen versuche? Ich habe alles ausprobiert, und komme immer wieder zu demselben Schluß: Die da oben sind stärker als ich. Ich tue mich erheblich leichter, wenn ich mit ihnen arbeite, und nicht gegen sie. Das heißt, mich der höheren Vernunft zu fügen – und mich führen zu lassen, Schritt für Schritt. Ich habe genug davon, blindlings durch den Tag zu stolpern, und mir immerfort Blessuren zuzuziehen (die sogenannten Mißgeschicke, siehe entsprechenden Kategorieeintrag). Das muss nun wirklich nicht sein – wenn wir im Einklang mit den Lebensgesetzen handeln.

¹ Diese Tagesschule hätte, wenn sie bemerkt worden wäre, der Frau die Gelegenheit gegeben, ihr Talent der Dankbarkeit zu vergrößern. Obwohl sie es nicht bemerkte, bekam sie ein klein wenig Energie aus dem Blauen – für eine gute Entscheidung, die sie bereits am Vortag getroffen hatte. Wieviel mehr hätte sie jedoch seelisch profitieren können, wenn sie den kausalen Zusammenhang zwischen der Entscheidung des Vortages und der Belohnung des darauffolgenden Tages erkannt hätte! Tagesschule erkennen macht Ihre Seele intelligenter – es gibt nichts, was mehr lohnt.




Aufwachen! - mein 17206. Tag


rster Ferientag in Baden-Württemberg – und letzter „Arbeitstag” für mich als Musiklehrer. Die Teilnahme an diesem sogenannten „pädagogischen Tag” gilt als Pflicht, und darüberhinaus als Beitrag zur Arbeitsplatzsicherung in Krisenzeiten. Referenten, heuer aus dem eigenen Stall, geben Erfahrungen und Erkenntnisse weiter, und Weiterbildung tut uns doch allen gut…

Da sitzen wir also, fast das gesamte Kollegium, und lauschen den Ausführungen der Kandidaten – doch manch einer in den hinteren Reihen träumt bereits von Sonne und Strand, andere hingegen von etwas näherliegendem: der nächsten Kaffeepause. Es zieht sich hin, doch damit nicht genug; Fragenbeantwortung muss auch noch sein. Die Diskussion dreht sich im Kreise. Ein Mobiltelefon lässt plötzlich seine eingespeicherte Melodie ertönen, und gleich darauf ein zweites. Was hat das zu bedeuten? War das nicht der Pausengong, das Zeichen zum abbrechen?

Doch die Zeichen wurden geflissentlich überhört – die Diskussion ging endlos weiter. Und wir blieben heiter, trotz dieser allgemeinen Verstandesentscheidung. Ist es denn so schwer, die Ereignisse der Tagesschule zu sehen, und überdies richtig zu interpretieren? Damit uns das gelingt, müssen wir schon unseren Verstand miteinsetzen, doch entscheiden sollten wir mit unserer Intuition, dem Bauchgefühl. In diesem Fall waren es einige Dutzend Augen und Ohren, für die das „Schauspiel” mit den Handys „bestellt” war; perfekt geplant und synchronisiert.

Sind wir denn alle blind und träumen durch den Tag? — Die Sprache der Tagesschule arbeitet mit Sinnbildern und Symbolen, und das Ertönen der Mobiltelefone, genau zu dem Zeitpunkt, als die Diskussionsrunde begann, sich im Kreis zu drehen, hatte nur eine einzige Botschaft: „Aufwachen, meine Damen und Herren, Zeit für eine erholsame Pause!”




Wer errät’s? - mein 17205. Tag


erraten sei der Verfasser dieses Rätsels – es ist der sprachschillernde Friedrich von Schiller, ihm sei’s bedankt…
(mehr Rategedichte)

Kennst du das Bild auf zartem Grunde?
Es gibt sich selber Licht und Glanz.
Ein andres ist’s zu jeder Stunde,
und immer ist es frisch und ganz.
Im engsten Raum ist’s ausgeführet,
der kleinste Rahmen fasst es ein;
doch alle Größe, die dich rühret,
kennst du durch dieses Bild allein.
Und kannst du den Kristall mir nennen?
Ihm gleicht an Wert kein Edelstein;
er leuchtet, ohne je zu brennen,
das ganze Weltall saugt er ein.
Der Himmel selbst ist abgemalet,
in seinem wundervollen Ring;
und doch ist’s, was er von sich strahlet,
noch schöner, als was er empfing.

Was ist’s?




Die kleinen netten Überraschungen - mein 17204. Tag


ie freuen wir uns im Alltag über die kleinsten Begebenheiten, die uns Anlass geben, einmal die gewöhnliche Routine zu unterbrechen!
Nein, es müssen wirklich nicht die großen Dinge sein, die uns Abwechslung verschaffen, und somit unser Gemüt erfrischen. Eine Monatsabrechnung für Internet- und Telefonnutzung tut es auch. Aua, das tut weh – und sie flattert auch ausgerechnet nach einer ausgedehnten Internetsitzung in den Briefkasten, den elektronischen – papierlos natürlich, da kommen wir dem Versorgerunternehmen großzügig entgegen.

Ein schöner Spiegel ist das, und wir bezahlen brav für die verpuffte Energie, für die endlosen Wartezeiten, für die Nervenbelastung und den Ärger mit fehlerhaften und inkompatiblen Webseiten, und — nichts mehr; die Aufzählung nähme sonst kein Ende. Haarsträubend ist es, was einem in der bunten Online-Welt alles widerfahren kann. Und nun darf ich auch noch Schmerzensgeld dafür bezahlen! Grummelnd und zerknirscht gehe ich außer Haus. Die reale Welt hat mich wieder. Ich bin unterwegs zum Thermalbad, und nicht gerade in einem wohlgeordneten äußerlichen Zustand; in der vagen Hoffnung, dass mir kein bekanntes Gesicht begegnet.

Doch etwas anderes begegnet mir. Was sehe ich da? Die Nummerntafel eines Fahrzeugs ist es, die mir geradezu in die Augen springt. Und endlich gibt es wieder was zum Schmunzeln: KA – MM … – das ist doch nicht etwa eine Aufforderung an mich? Zugegeben, mit langer wehender Künstlermähne ist man manchen Zeitgenossen schon ein Dorn im Auge. Verzweifelt fahre ich durch die Haare; hoffnungslos! Sie fallen in alle Richtungen, und lassen sich wirklich in kein Schema pressen. Doch werde ich nicht aufgeben; den letzten zwei zerbrochenen Pferdekämmen zum Trotz. Geeignet wäre ein Stahlkamm mit einem Zentimeter breiten Zwischenräumen, denn sonst komme ich durch meine Haare nicht hindurch. Momentan behelfe ich mir mit einer Gabel, rostfrei, aus Solinger Edelstahl, doch die ist momentan nicht griffbereit. Und abschneiden kommt auch nicht in Frage, weil mir die Drahtantennen auf dem Kopf den Empfang der Intuition erleichtern – und das hat höchste Priorität!

So spielt das Leben mit uns Katz und Maus, und das spiegelt sich in all den Eulenspiegeleien, die wir selber Tag für Tag von neuem aushecken. Tagesschule nennen wir das, und sie ist zu nichts weiters nutze, als dass wir sie beobachten, und, unser wahres ICH erkennend, aus ihr lernen; denn die Streiche, die wir schon von Kindesbeinen an beherrschten, nehmen nicht so leicht ein Ende. Jede Zeche muss bezahlt sein, bis auf den letzten Heller, wie wir aus Erfahrung wissen – und bliebe der Teller fortan leer, so hätten wir ein wichtiges Ziel erreicht: uns still und friedlich mit dem zu bescheiden, was wirklich in unserem Leben ansteht, und Tag für Tag zu tun ist. Nicht mehr, und nicht weniger, keine Ablenkungen, keine Abenteuer – denn diese Abende, wo man sein kleines Ego durchsetzt, und tut, was man gerade tun möchte, sind immer teuer zu bezahlen, im wahrsten Sinne des Wortes: ein teurer Abend war’s, ein wahres Aben(d)teuer – ich muss nur auf die Telefonrechnung schauen.

Auch wenn Sie es möglicherweise nicht so gerne hören – die höhere Vernunft im Universum erzieht uns mittels intelligenter Lebensgesetze zum „brav sein”, und es führt kein Weg daran vorbei – wir alle müssen mit der Zeit zu „Engeln” werden. Apropos, können Sie schon singen?

Zwei betende Engel, von William Blake gemalt; geheimnisvoll sind seine Werke, mystisch auch seine Dichtungen, unendliche Wahrheiten verkündend. Er nahm die Verinnerlichung der Romantik vorweg. Seine Bilder sind durchweg inspiriert; wir bewundern den Aufbau seiner Kompositionen, die sich zu einer Apotheose des Glaubens fügen: sich im Gebet einander zuneigende Engel formieren sich symbolisch zu den bittend aneinandergelegten Händen, die gen Himmel gerichtet sind. Wir sollten es uns zu Herzen nehmen – und keinen Tag ohne positiven Wunsch verstreichen lassen!




• nomen est omen • - mein 17203. Tag


ch, man geht doch viel zu selten ins Theater. Was wurde denn gespielt, vergangene Woche? Drama und Komödie, Lustspiel und Tragödie, und das alles in einem Stück? Kein Problem. Ganz oben in der Gunst der Medien stand zweifelsohne „Der Fall Porsche”, ein Lehrstück um Macht und Intrigen, Spekulation und Gier, über menschliche Triebe also, und nicht über Liebe, denn auf ein Happy End warteten die Zuschauer in den niedrigeren Rängen vergeblich. Es ward zu einem Mammutstück, mit dem Untertitel „Der König nimmt seinen Hut – weil er nicht Kaiser werden darf”, und das Finale zog sich entsetzlich in die Länge, bis in die frühen Morgenstunden hinein; als sich der Vorhang endlich schloß, und das letzte Bühnenlicht erlosch, gingen die Kritiker erschöpft an ihre Arbeit, und wetzten ihre Federn – auf Rache sinnend, angesichts der erduldeten Pein und der horrenden Eintrittspreise . . .

Wir wollen nicht vorbehaltslos in den Chor der Kritiker miteinstimmen; wir wollen uns damit begnügen, das Licht auf unscheinbare Kleinigkeiten zu richten, die dennoch sich selber Genüge tun – indem sie für sich selbst sprechen. Ein Theaterstück lebt von seinen Protagonisten, und die Rollen waren glänzend besetzt: an erster Stelle König Wiede(r)king¹, der am Ende mit den Tränen kämpfend Krone und Zepter an seinen treuen Vasallen Macht² übergab; und im Hintergrund das Geschehen souverän beobachtend, still und zurückhaltend: die rechte Zeit zum Handeln abwartend, wie es den wirklich großen Feldherrn seit eh und jeh zu eigen war, Generalfeldmarschall Winterkorn³. Auch der Wulff mit seinen sieben Geißlein war mit von der Partie, doch musste er sich vorerst damit begnügen, die Regieanweisungen vorzulesen. Wir können an dieser Stelle nicht allzu sehr ins Detail abschweifen, das würde doch entschieden zu weit führen; es soll für heute genügen, dass wir erkennen, dass auch die Namen, die uns durch das Leben geleiten, einem höheren Ordnungsprinzip entnommen sind. Vor- und Nachnamen spiegeln uns in persönlichen Eigenheiten, Stärken oder Schwächen, positiven oder negativen Eigenschaften unserer Individualität, getreu dem Postulat von Mikrokosmos gleich Makrokosmos.

¹ jedes Jahr, nach Veröffentlichung der Bilanzen, staunte man von neuem: Wendelin Wiede(r)king war wieder König! King for just one day? Nein, oh nein, wieder und wieder, insgesamt siebzehn Inthronisationen haben wir erlebt, von 1992 bis 2009. Kein Wunder, dass ihn das Prozedere langweilte, und er endlich die unumschränkte Macht begehrte, die Kaiserwürde sollte es gar sein! Doch dazu war sein Königreich zu klein. Die Wende, die wir aus seinem Vornamen Wendelin prophezeien konnten, kam über Nacht. Die Macht wurde neu verteilt.
² Mit dabei, man höre und staune: Michael Macht, designierter Wiedeking-Nachfolger. Was wird er machen, mit der Macht, die er nun hat?
³ Klug ist der Bauer, der sein Feld im Winter bestellt – wenn alles schläft, und keiner daran denkt. Das verschafft ihm den notwendigen Vorsprung vor den Mitbewerbern. Ist Martin Winterkorn der Mann der Stunde, der VW zum Weltmarktführer machen kann? Wintergerste ist hart, robust, und kerngesund.

Wolfgang Porsche äußerte sich einmal, die Firma könne man sich auswählen, die Familie jedoch nicht. Ergänzend dürfen wir hinzufügen, dass wir in die passende Familie hineingeboren werden, rein zufällig natürlich; so fällt jedem das zu, was ihm gebührt. Und der, der uns diese Zufallsbälle unermüdlich in die Hände spielt, lächelt mild und weise. Leise, leise, dass es keiner merkt!